Das Miteinander in einer Beziehung, einer Familie oder Gemeinde kann wie eine Wüstenlandschaft, aber auch wie ein blühender Garten sein. Das, was Leben schafft ist das ehrliche, liebevolle, gute Gespräch. Gute Gespräche sind wie Regen auf dürres Land. Wo Menschen, die miteinander leben, miteinander sprechen, da sind blühende Gärten und Leben – und wo das Gespräch fehlt, da ist Wüste.
Als der amerikanische Evangelist Dwight L. Moody mit dem Segelschiff den Ozean überquerte, brach plötzlich ein Feuer aus. Ein Reisegefährte fragte: „Sollten wir nicht erst einmal beten, Bruder Moody?“ Darauf antwortete Moody: „Du kannst gehen und beten, Bruder, ich werde die Männer an die Wassereimer stellen. Beten hat seine Zeit und Feuer löschen hat seine Zeit!“ Wir neigen dazu, das Beten vom Tun zu trennen. Natürlich ist beides wichtig. Nehemias Bereitschaft, ein schwieriges Gespräch zu führen, war eine Voraussetzung, um seinem Volk zu helfen. Um Jerusalem wieder aufzubauen, musste Nehemia mit dem König sprechen. Auch wir erleben manchmal nur dann Gutes, wenn wir das Gespräch mit anderen suchen. Wir erfahren Gottes Hilfe, wenn wir bereit sind, wichtige Gespräche zu führen.
Jesus sagt: Wenn du während des Gottesdienstes ein Opfer bringen willst und dir fällt plötzlich ein, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, dann lass dein Opfer liegen, gehe zu deinem Bruder und versöhne dich mit ihm. Erst danach bringe Gott dein Opfer. Matth 5,23f
Manchmal gilt: Gott wird uns nicht geben, was wir nicht durch ein Gespräch suchen! Zu lernen, Miteinander zu reden ist nicht leicht und doch so wichtig. Schlimm ist: zu einem Gespräch gehören ja immer zwei.
Viele Menschen haben einen seelischen Schneeschieber. Sie schieben unangenehme, schwierige Gespräche vor sich her – über Jahre und Jahrzehnte.
Pläne kommen zum Ziel, wenn man sich recht berät; Spr 20,18 Gott hilft durch Gespräche! Das Leben als Christ beginnt mit einem Gespräch. Das Gespräch ist für die Liebe zu Gott und für die Nächstenliebe so wichtig wie das Blut für den Körper. Gespräche können Passierscheine in neues Land sein. Gespräche können Weichen sein, die ein Weiterfahren ermöglichen, wenn wir glauben, alles sei festgefahren. Gespräche können ein Türgriff sein, der einen Weg aus der Einsamkeit oder einer Not in eine bessere Zukunft schafft. Gespräche können Medizin sein, die heilend und wohltuend wirkt.
„Gespräche sind wie Reisen zu Schiff. Man entfernt sich vom Festland, ehe man es merkt, und ist schon weit, ehe man merkt, dass man das Ufer verlassen hat.“ Nicolas Chamfort (1741-94), frz. Moralist
Was hat bei Nehemia dazu beigetragen, dass dies schwierige Gespräch gelang?
Was macht ein Gespräch schwierig? Mangel an Vertrauen. Angst, sich lächerlich zu machen, nicht verstanden zu werden, sein Gesicht zu verlieren. Wenn viel von dem Gespräch abhängt und ich mit einem ungünstigen Ausgang des Gesprächs rechne; wenn seelische Verletzungen und Gefühle wie Ärger, Zorn, Wut und Traurigkeit die Verständigung erschweren; wenn über etwas gesprochen werden muss, was einer nicht wahrhaben oder nicht akzeptieren will: Schuld, Tod, unheilbare Krankheit, Trennung. Vertrauen gibt dem Gespräch mehr Stoff als der Geist. (François de La Rochefoucauld 1613-80 frz. Schriftsteller) Vertrauen ist Medizin für Ängstliche. Im Blick auf das wichtige Gespräch mit seinem „Chef“, dem König, vertraute Nehemia auf Gottes Hilfe. „Gott kann und will mir helfen, dass dies Gespräch gelingt, einen guten Ausgang nimmt“ – das glaubte Nehemia. Darum betete er vier Monate und wartete auf eine Gelegenheit, die Gott ihm zeigt. Bei allen „schwierigen“ Gesprächen sind wir gefordert, Gott zu vertrauen. Der Ausgang hängt nicht allein von unserer Geschicklichkeit, unserem Können ab, sondern von Gottes Gnade:
Und der König gab sie mir, weil die gnädige Hand meines Gottes über mir war (Neh 2,8).
Auffällig ist: Nehemia gibt bei all seinen ?Erfolgen? Gott dafür die Ehre. Vertrauen in Gottes Hilfe entlastet uns von unnötigem Druck. Und Nehemia nahm sich die Zeit um auf den richtigen Zeitpunkt zu warten. Es ist ratsam, nicht immer spontan das Gespräch zu suchen, sondern auf den richtigen Zeitpunkt zu warten.
Kennst du jemanden, der redet ohne vorher überlegt zu haben? Ich sage dir: Für einen Dummkopf gibt es mehr Hoffnung als für ihn. (Spr 29,20)
Ein Vater berichtet:
Während ihrer Schwesternausbildung arbeitete meine Tochter eine Zeitlang in einem Altenpflegeheim. An ihrem ersten Tag wurde ihr gesagt, sie solle den Patienten ihre Dienste freundlich, aber bestimmt anbieten. Sie ging also bei nächster Gelegenheit auf eine gut gekleidete ältere Dame zu und fragte sie, ob sie frisiert werden wolle. „Nein danke“, erwiderte die Dame abweisend. „Nun haben sie sich doch nicht so,“ fuhr meine Tochter unbeirrt fort. „Wenn ich sie frisiert habe, sieht ihr Haar viel besser aus.“ Die Dame warf ihr einen unfreundlichen Blick zu. „Sie sind wohl neu hier?“ fragte sie. In der Hoffnung, das Eis zu brechen, antwortete meine Tochter: „Ja, ich habe gestern angefangen.“ „Das dachte ich mir,“ gab die Dame zurück. „Ich bin hier zu Besuch.“ (RD 5/97 - Frank Shaw, England) In einem Gespräch ehrlich zu bleiben ist nicht immer leicht.
… Da bekam ich einen furchtbaren Schrecken. Und ich sagte zum König: Der König lebe ewig! Warum sollte mein Gesicht nicht traurig ‹aussehen›,… Der traurige Zustand Jerusalems ist eine direkte Folge des Dekrets Artaxerxes', die Bautätigkeit einzustellen (Esra 4,17-23). Nehemia wagt darum einen hohen Einsatz, als er sich zum Fürsprecher einer Stadt macht, die man dem König als ein Treibhaus der Rebellion beschrieben hat. Aber Nehemias Sorge für sein Volk überwiegt die für sich selbst.
Nehemia machte keinen Hehl daraus, dass er sich fürchtete, diese Sache anzusprechen. Und er macht keinen Hehl daraus, dass er wegen der Situation in seiner Heimat traurig ist. Er zeigt ehrlich, wie er fühlt, und obwohl er große Angst hat, spricht er ehrlich über seine Gefühle. Auch große Männer und Frauen des Glaubens waren traurig und hatten manchmal Angst. Doch obwohl Nehemia sich fürchtete, wagte er ein ehrliches Gespräch und erlebte, dass Gott mit ihm war V.8!
Gott kann uns segnen, wenn wir vor uns selbst und vor anderen ehrlich sind. Es schadet uns selbst, wenn wir Gefühle wie Wut, Zorn, Traurigkeit, Furcht oder Ärger überspielen, anstatt uns ehrlich mit diesen Gefühlen auseinanderzusetzen. Wir dürfen und sollen darüber sprechen, was uns bewegt, ärgert, traurig macht, belastet.
Der König fragt
Du bist ‹doch› nicht etwa krank? ‹Nein›, das ist es nicht, sondern ein trauriges Herz!
Krankheit und seelische Not hängen oft eng zusammen. Worte herunterzuschlucken, die ausgesprochen werden sollten, schadet. Gott hat in ehrliche Gespräche eine heilsame Kraft gelegt.
Sorgen drücken einen Menschen nieder, aber freundliche Worte richten ihn wieder auf. Spr 12,25 Ein freundliches Wort ist wie Honig: angenehm im Geschmack und gesund für den Körper. Spr 16,24 „merikanische Untersuchung zeigt, wie aktuell und relevant diese Verse sind: Frauen mit fortgeschrittenem Brustkrebs, die sich wöchentlich mit anderen in der Gruppe trafen, überlebten doppelt so lange wie Frauen, die allein mit dieser Krankheit konfrontiert waren. Oft war diese Gruppe der einzige Ort, an dem die Frauen offen (ehrlich) über ihre Gefühle sprechen konnten, weil andere, die in ihrem Leben eine Rolle spielten, Angst hatten, mit ihnen über den Krebs und ihren nahen Tod zu sprechen.“ (Emotionale Intelligenz, S.230) Ehrlichkeit ist wichtig für ein Gespräch.
„Gut Gespräch Kürzt den Weg.“ - Und ich sagte zum König: Der König lebe ewig! ... Wenn es dem König gefällt,...
Weil Nehemia seinem Gegenüber mit Respekt und Wertschätzung begegnet, ist dieser König bereit auf sein Anliegen einzugehen. Natürlich war Nehemia höflich und respektvoll. Sollte es für uns nicht auch natürlich sein, in schwierigen Gesprächen höflich und respektvoll zu bleiben – auch wenn unser Gegenüber kein König ist?!
Ehrt jedermann, habt die Brüder lieb, fürchtet Gott, ehrt den König. 1 Petr 2,17
Das Wort Respekt wurde im 16. Jh. aus dem gleichbedeutenden frz. respect entlehnt, das auf lat. respectus „das Zurückblicken, das Sichumsehen, die Rücksicht“ zurückgeht. Jemandem Respekt entgegenbringen bedeutet innezuhalten, um zurückzuschauen und Rücksicht zu nehmen.
Die Worte eines gedankenlosen Schwätzers verletzen wie Messerstiche; was ein weiser Mensch sagt heilt und belehrt. (Spr 12,18)
John Gottman, Professor für Psychologie an der Universität von Washington und Autor des Buches Glücklich verheiratet? Warum Ehen gelingen oder scheitern schreibt „Nicht die Intensität oder die Häufigkeit der Streitereien lassen eine Ehe scheitern, sondern die Art, wie die Partner mit Konflikten umgehen. Die vier Beziehungskiller heißen Kritik, Verachtung, Abwehr und Rückzug.“ Sowohl Verachtung als auch Rückzug sind Ausdruck von fehlendem Respekt. Respekt und Wertschätzung des anderen zeigen sich in der Bereitschaft und dem Willen, dem anderen geduldig zuzuhören, ihn ausreden zu lassen, versuchen, ihn zu verstehen, und darin, ihn nicht aufzugeben, auch wenn die Standpunkte unvereinbar scheinen. Lass dich von Jesus einladen zu sagen: „Ich glaube, dass ich mit Gottes Hilfe auch schwierige Gespräche führen kann!“
Gefällt es dem König und hat dein Knecht Gnade gefunden vor dir... V.5 weil die gnädige Hand meines Gottes über mir war. V.8 Nehemia hoffte, dass sein Gegenüber gnädig sein würde. Er war sich bewußt, dass er kein Recht und keinen Anspruch hatte, worum er bat.
Hilde L. Dieterich, Studienleiterin und Therapeutin bei der Deutschen Gesellschaft für Biblisch Therapeutische Seelsorge, schreibt ‘Zahlreiche sozialwissenschaftliche Studien zeigen immer wieder, woran unsere Gesellschaft vor allem krankt: Wir haben verlernt, miteinander zu sprechen. Dabei gehört das Gespräch zu den wichtigsten „Werkzeugen“ in unserem Alltag. Im Medien- und Informationszeitalter hören Menschen mehr dem Radio oder Fernsehen zu als ihrem direkten Gegenüber. Statistisch gesehen nutzt jeder Bundesbürger Rundfunk und Presse im Durchschnitt täglich allein fünf Stunden – neben den acht Stunden Arbeitszeit. Persönliche Kontakte finden schon aus Zeitgründen – weniger statt und werden auf das Notwendigste beschränkt. Die Folge: Ehekrisen, Scheidungen, verhaltensauffällige Kinder, seelische und körperliche Krankheiten, die sich aus dem mangelnden Umgang in Familien, Betrieben bis hin zu den Kirchen ergeben. Der Mensch hat von Gott das Geschenk der Ebenbildlichkeit bekommen. Dieses Geschenk zeigt sich auch in der Fähigkeit zur Kommunikation (auf Deutsch: der Verständigung untereinander), die es uns ermöglicht, die Welt aus der Sicht des anderen zu erfahren. Die Fähigkeit ist in jedem Menschen zwar angelegt, doch um sie richtig zu gebrauchen, bedarf es oft eines mühsamen Lernprozesses. (Gemeinde, 2/96, S.4)