„Ich will nie wieder mit ihm reden. Ich hasse meinen Bruder, weil er über 4 Jahre meine Tochter sexuell missbraucht hat. Für sein Verbrechen sitzt er jetzt im Gefängnis. Er wird wahrscheinlich die Hälfte seiner Strafe von 15 Jahren dort absitzen. Niemals wieder möchte ich ihn sehen oder werde ich mit ihm reden. Ich habe keinen Bruder mehr.“ (Frau, 45 J.)
Dieser Worte geben uns eine Ahnung davon, wie zerstörerisch das Böse ist und welche Macht Sünde hat. Viele Menschen erleben es nicht so schlimm wie diese Frau. Aber sehr viele Menschen kennen die Erfahrung: der ist für mich gestorben. Sünde schafft tiefe Gräben. Sünde schafft Brüche in Beziehungen. Sünde ist das, womit wir alle zu tun haben. Wenn wir uns in der Adventszeit an das Kommen von Jesus in die Welt erinnern, dann feiern wir den, der für Sünder kam. Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. (Röm 5,8) Ich will ganz offen reden: Dieser Bruder im Gefängnis – das bin ich. Dieser Bruder - das bist auch du. Unsere Schuld ist so schwerwiegend, dass Gott einen Retter für uns in die Welt senden musste.
Wie gut, dass Gott so ein Gott ist und nicht ein Mensch! Wie gut, dass Gott nicht wie wir ist. Das wirklich Erstaunliche ist doch: wir können Advent feiern! Zuletzt aber sandte er seinen Sohn zu ihnen... (V.37) Das Wunderbare ist: mit dem Kommen von Jesus wurde für uns eine Brücke über den Graben der Sünde geschaffen. Der Grund unserer Freude ist dieser: Brüche in Beziehungen können heilen, jeden Tag, immer wieder! Worauf ich hinaus will, will ich euch jetzt schon sagen: Gott liebt dich! Wenn du doch wüsstest, wie sehr du geliebt bist! Du bist mit einer ewigen Liebe geliebt. Du bist auf Hoffnung geliebt. Ich kann es auch mit den Worten aus dem Lobgesang der Maria sagen: Er gedenkt der Barmherzigkeit… Lk 1,54 Wie oft habe ich diesen Hinweis gelesen und doch nicht verstanden. Ich lade euch heute ein mit mir genauer hinzuschauen, was das bedeutet: Er gedenkt der Barmherzigkeit.
1. Gott kommt oft zu uns V.33-36
Als nun die Zeit der Früchte herbeikam, sandte er seine Knechte zu den Weingärtnern, damit sie seine Früchte holten. Da nahmen die Weingärtner seine Knechte: den einen schlugen sie, den zweiten töteten sie, den dritten steinigten sie. Abermals sandte er andere Knechte, mehr als das erstemal; und sie taten mit ihnen dasselbe. Was Jesus hier im Bild des Weingärtners und der Pächter beschreibt ist unvorstellbar. Das ist unmöglich. Pächter, die sich hartnäckig weigern, die Pacht zu zahlen. Sie bleiben die Pacht schuldig. Sie bleiben Frucht schuldig. Sie bleiben schuldig. Hast du schon Mal einen Vermieter erlebt, der die Miete abholt, der jemanden schickt und um die Miete bittet? Ist es nicht sonderbar, dass hier Diener gesandt werden, um die Früchte zu holen? Vielleicht sendet der Besitzer des Weinbergs seine Knechte, weil die Pächter nicht bereit sind, die Frucht zu bringen?
Diese Knechte, die sich auf den Weg machen, sind Gesandte Gottes. Sie haben einen Auftrag von Gott. Sie haben Vollmacht und sind doch nur Diener. Diese Knechte sind Propheten, Prediger, Eltern, Nachbarn, Freunde, Familienangehörige. Diese Diener sind Bibeln, christliche Bücher, Filme. Diese Diener sind Christen, die Menschen sagen: Gott kennt dich! Gott liebt dich! Gott will, dass du sein Kind wirst. Weißt du, wie oft Gott schon zu dir gekommen ist, bevor du erkannt hast: Gott selbst kommt zu mir?! Weißt du, wie oft? Es ist aufschlussreich nach dem „wie oft“ in der Bibel zu fragen:
Wie oft trotzten sie ihm in der Wüste und betrübten ihn in der Einöde! Ps 78,40
Zu einem Volk, das meinen Namen nicht anrief, sagte ich: Hier bin ich, hier bin ich! Ich streckte meine Hände aus den ganzen Tag nach einem ungehorsamen Volk, das nach seinen eigenen Gedanken wandelt auf einem Wege, der nicht gut ist; nach einem Volk, das mich beständig ins Angesicht kränkt. Jes 65,1-3 Nach der Guten Nachricht werden diese Worte so übersetzt: Die ganze Zeit über streckte ich einladend die Hände aus; aber dieses widerspenstige Volk will nichts von mir wissen. Sie folgen ihren eigenen Gedanken und gehen beharrlich ihre eigenen verkehrten Wege. Fortwährend beleidigen sie mich und reizen mich zum Zorn.
Wer die Barmherzigkeit Gottes verstehen will, der sollte hier hinhören. Die unvorstellbare Güte Gottes erstrahlt nur vor dem Hintergrund menschlicher Ablehnung. Unsere Bosheit und Sündhaftigkeit zeigt wie Gottes Güte ist. Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten und steinigst, die zu dir gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel; und ihr habt nicht gewollt! Matth 23,37 Der Mensch kann zu Gottes Liebe Nein sagen. Das ändert aber Gottes Ja zum Menschen nicht! Das sind beeindruckende Beispiele für die unvorstellbar große Güte Gottes.
Es gibt allerdings noch ein sehr beeindruckendes Beispiel für die große Barmherzigkeit Gottes. Vielleicht ist es das beeindruckendste Beispiel für die große Güte Gottes. Petrus lotet die Tiefe der Güte Gottes mit einer Frage aus. Über die Antwort können wir nur staunen: Da trat Petrus zu ihm und fragte: Herr, wie oft muss ich denn meinem Bruder, der an mir sündigt, vergeben? Genügt es siebenmal? Jesus sprach zu ihm: Ich sage dir: nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal. (Matth 18,21f) Das heißt doch nichts anderes als dies: Gott selbst vergibt dir so oft du Vergebung nötig hast, so oft du Ihn um Vergebung bittest. Grenzenlos oft empfangen wir Vergebung. Und deshalb singen Christen von dieser Güte Gottes: Wie groß ist des Allmächtgen Güte! Ist der ein Mensch, den sie nicht rührt, der mit verhärtetem Gemüte den Dank erstickt, der ihm gebührt? Nein, seine Liebe zu ermessen, sei ewig meine größte Pflicht. Der Herr hat mein noch nie vergessen, vergiss, mein Herz, auch seiner nicht!
Hermann Heinrich Grafe verfasste das Lied: Darf ich wiederkommen mit der gleichen Schuld? Hast du nicht verloren endlich die Geduld? Ist denn deine Gnade also täglich neu, dass du willst vergeben, auch so oft es sei? 2. Gnade und Vergeben heißt das süße Wort; das trägt mich durch’s Leben, nimmt den Jammer fort, bringet Heil und Frieden in mein Herz hinein, dass es schon hienieden kann recht selig sein. 3. Wahrlich, ich darf kommen mit der gleichen Schuld, ich werd angenommen, du trägst in Geduld. Halt mich dann gebunden fest, o Herr, an dich, dass ich werd erfunden in dir ewiglich!
2. Gott kommt in Jesus zu uns
Zuletzt aber sandte er seinen Sohn zu ihnen.. (V.37)
Auch das ist unvorstellbar und unmöglich. Dieser Besitzer sendet seinen Sohn zu diesen Pächtern! Welcher Mensch würde das machen?! Keiner! Schockierend ist das. Überwältigend. Göttlich. Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn… Hebr 1,1f
Hast du heute schon darüber nachgedacht, dass Gott ein Gott ist, der Menschen immer wieder eine neue Chance gibt? Wir wären arm dran, wenn uns nicht neue Chancen gegeben würden! Darüber predige ich gerne, über die zweite Chance, die ich brauche. Heute feiern wir die Liebe, die Menschen das Leben gönnt, sie begnadigt! Und auch wenn wir die Größe dieses Geschenks nie ganz erfassen können, können und sollen wir singen: Mir ist Erbarmung widerfahren, Erbarmung deren ich nicht wert..
Kann auch eine Frau ihr Kindlein vergessen, dass sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie seiner vergäße, so will ich doch deiner nicht vergessen. Jes 49,15 Wie kann man bei solchen Gedanken nicht an die vielen Menschen denken, die mehr als alles das Geschenk einer neuen Chance zum Leben nötig haben?! Kennst du nicht auch solche Menschen? Bei dieser Liebe, die nicht aufhört ihre Hände auszustrecken, kann man nur froh werden! Unser Leben wäre auch dunkler ohne diese unvorstellbar große Güte Gottes. Ohne Gnade und Güte wäre es wahrhaft finster in der Welt. Gott kommt in Jesus zu uns. Darin zeigt sich seine große Barmherzigkeit. Darin zeigt sich seine grenzenlose Güte. David hat es schon lange vor uns erkannt. Wie treffend ist seine Beschreibung der Güte Gottes: HERR, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, (…) Wie köstlich ist deine Güte, Gott, dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht haben! Ps 36,6+8
Nimmst Du mich noch einmal an? Herr, ich halte mich daran. Ich darf kommen und Du stößt mich nicht hinaus. Meine Flucht ist nun vorbei, ich gehör Dir wieder neu. Es ist gut bei Dir zu sein, bei Dir zu Haus. (Manfred Siebald)