Eine Szene in einer Straßenbahn. Er beobachtete den Vater mit seinen beiden Kindern schon eine Weile. Dabei wuchs sein Ärger. Die Kinder benahmen sich unmöglich. Sie waren laut und sehr ungezogen. Sie störten massiv. Und der Vater ließ sie einfach gewähren. Schließlich sprach er ihn unwirsch an: „Würden sie bitte dafür sorgen, dass ihre Kinder sich benehmen! Das ist unerhört, wie die hier stören!“ Der Vater entschuldigte sich sofort.
Dann erzählte er, dass sie gerade aus dem Krankenhaus kämen. Seine Frau war gestorben. Er ist jetzt allein mit den Kindern und weiß nicht, wie es weiter geht. – Mann kann sich vorstellen, dass der Mann die ganze Situation mit anderen Augen sah. Statt Ärger empfand er Mitgefühl.
So ähnlich war es mit den Schriftgelehrten und Pharisäer. Sie hatten kein Verständnis dafür, dass Jesus sich mit Zöllnern und Sündern abgab. Es nahten sich ihm aber allerlei Zöllner und Sünder, um ihn zu hören. Und die Pharisäer und Schriftgelehrten murrten und sprachen: Dieser nimmt die Sünder an und ißt mit ihnen. Lk 15,1f Jesus wollte ihnen helfen, zu verstehen warum Er das tat.
Angenommen, Jesus käme unauffällig als Mensch in unsere Welt. Und er würde uns eine Woche lang auf all unseren Wegen begleiten bzw. wir würden ihn begleiten. Welche Auswirkungen würde das auf uns haben? Was würde uns beeindrucken oder erstaunen? Würde sich in unserem Leben etwas verändern? Seine Liebe zu den Menschen, denen er an unserer Seite in dieser Woche begegnet, würde uns beeindrucken und erstaunen. Und das würde vielleicht in uns den Wunsch nach Veränderung wecken!
In den Evangelien sehen wir, dass Jesus genau das in Menschen bewirkte. Seine Liebe zu Schwachen, Kranken, Sündern, Verachteten, Verzweifelten und Kindern offenbart eine falsche Haltung in uns! Seine Liebe, die in Wort und Tat konkret wurde, offenbart, dass wir auf einem falschen Weg sind. Wir brauchen eine Haltung zu unseren Mitmenschen, die von Gottes Liebe geprägt ist! Das Gleichnis vom verlorenen Schaf kann ein Spiegel für unser Herz sein.
Jesus Christus lebt, um Verlorene zu suchen und zu retten. Zöllner und Sünde waren verlorene Menschen. Jesus aß mit Zöllner und Sünder aus. Er liebte Zöllner und Sünder. Darum kamen sie zu ihm, um ihn zu hören! Und sie kamen, weil sie Gottes Liebe und Vergebung brauchten. Der Vorwurf gegen Jesus lautete: Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen.
1. Jeder Mensch ist vor Gott gleich wertvoll und geliebt! V.4
Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat und, wenn er eins von ihnen verliert, Eine bildhübsche Frau sitzt lächelnd in einem Cabriolet. „Das ist meine Schwester Bärbel“, sagt Renate W. und klickt auf das Foto bei Facebook. Die 68-jährige Frau aus dem Landkreis Neumarkt tauscht häufig Nachrichten mit der Amerikanerin aus. Meist enden sie mit „I love you“ und „Ich liebe dich“. Echte Schwesternliebe. Dabei kennen sich Renate und Bärbel kaum. Über 50 Jahre haben sie sich nicht gesehen, auch wenn jede von der Existenz der anderen wusste. Renate war 13, als ein amerikanisches Ehepaar die eineinhalbjährige Bärbel adoptierte. Der Kontakt riss ab. Bis vor drei Jahren. Da begann Renate mit der Suche. Am Ende haben sich nicht nur die beiden Schwestern wiedergefunden, sondern auch noch einen Bruder dazubekommen.
Es ist eine von vielen berührenden Geschichten, in denen sich zwei Menschen finden, die sich verloren haben. Mit dem Gleichnis vom verlorenen Schaf macht Jesus deutlich: jeder Mensch ist in Gottes Augen gleich wertvoll und geliebt. Unabhängig von persönlicher Schuld, Ansehen oder Glauben ist jeder Mensch geliebt. Gottes Liebe ist bedingungslos. Manchmal geht es nur um ein einziges Schaf, oder? Nein, Gott geht es immer um das einzelne Schaf. Gott geht es immer um den einen Menschen. Gott kennt jeden von uns mit Namen. Er kennt unsere Geschichte. Er liebt uns. Und er will nicht ohne uns sein!
Wir glauben, dass Gott alle Menschen interessieren. Deswegen sollen sie auch die Gemeinde interessieren. (Lk 5,30-32). Das soll zu unserer Lebenshaltung werden. Jeder Mensch ist ein wertvoller und liebenswerter Mensch sein. Wie kann ich jemanden lieben, der in meinen Augen nicht liebenswert zu sein scheint? Ich lerne, Person und Werk zu trennen. ’Der Mensch ist Person und hat seine Würde durch das, was Gott am Menschen und für ihn tut… Die Rechtfertigungslehre sagt uns, dass der Mensch als Person nicht das ist, was er tut, sondern wozu Gott ihn beruft. ... Biblisch gesehen kommt es darauf an, festzuhalten, dass die wahre Identität des Menschen in dem Leben besteht, zu dem Gott ihn bestimmt hat. Diese Bestimmung bleibt auch dann bestehen, wenn der Mensch sie nicht erfüllt oder ihr nicht entsprechen kann.’
(U. Eibach, Liebe, Glück und Partnerschaft, S.162f)
2. Jesus Christus sieht sich selbst als verantwortlich für Verlorene. V.4
nicht die 99 in der Wüste lässt und geht dem verlorenen nach, bis er’s findet? Ich erinnere mich an Fotos auf den Rückseiten von LKWs in den USA. Es waren Fotos von Kindern. Dazu stand eine Bitte: Wenn sie dies Kind gesehen haben, rufen sie bitte kostenfrei die folgende Telefonnummer an. Wie viel Schmerz und Leid ist mit jedem vermissten Kind verbunden! Wer sein geliebtes Kind vermisst, der verteilt Fotos und bitte viele andere darum, beim Suchen zu helfen. …bis er’s findet. Schöner kann die Liebe Gottes nicht beschrieben werden. Wer liebt, hat einen langen Atem. Wer liebt, sucht so lange… bis er’s findet.
Mit diesem Gleichnis zeigt Jesus die Verantwortung des Liebenden. Beim Gleichnis vom verlorenen Sohn ist die Verantwortung beim Verlorenen. Das verlorene Schaf kommt nicht von sich aus zur Herde zurück. Es muss gesucht werden! Wer ist dafür verantwortlich, dass Menschen Gott finden? Sollen wir erwarten, dass Menschen von sich aus unsere Gottesdienste besuchen. Was bedeutet es für uns, verlorenen Menschen nachzugehen? Das nachgehen ist vor allem eine Herzensfrage. Zuerst frage ich: Wie kann ich diesen Menschen erreichen und für Jesus Christus gewinnen? Nachgehen heißt kreativ, geduldig, mitfühlend, respektvoll und ernsthaft nach Wegen und Möglichkeiten zu suchen, Menschen die gute Nachricht zu sagen. Wenn ich einen Menschen erreichen will, mache ich mir zuerst Gedanken.
Jesus zeigt uns: Menschlichkeit zeigt sich in der Übernahme von Verantwortung für den Nächsten. Welcher Mensch ist unter euch...? Für jeden Hirten ist es selbstverständlich, ein verlorenes Schaf zu suchen. Genauso selbstverständlich soll es für uns sein, Menschen für Jesus zu gewinnen, für sie zu beten, die eigene geistliche Verantwortung zu sehen. Zachäus erlebte eine Umkehr in seinem Denken und Verhalten gegenüber seinen Mitmenschen. Vorher nutzte er sie aus, bereicherte sich durch sie. Nach dem Gespräch mit Jesus wusste er, was er seinen Mitmenschen schuldig war. Wir haben eine Bringeschuld gegenüber unseren Mitmenschen. Die gute Nachricht muss allen Menschen verkündet werden: Paulus war überzeugt: Ich bin die Botschaft von Christus allen Menschen schuldig: solchen aus hochkultivierten wie aus unzivilisierten Völkern, Gebildeten wie Unwissenden. Röm 1,14 ’Vater im Himmel, ich will meine Verantwortung für meinen Nächsten in deinem Namen ernst nehmen. Hilf mir, dass meine Lebenshaltung von dieser Überzeugung geprägt ist.’
3. Jesus Christus sieht sich selbst als Suchender. V.5
Und wenn er’s gefunden hat so legt er sich’s auf die Schultern voller Freude. Zum Selbstbild von Jesus gehört auch: Ich lebe, um verlorene Menschen zu suchen und zu retten. Denn der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und selig zu machen, was verloren ist. Lk 19,10 Auch in diesem Aspekt soll sich unser Selbstbild ändern! Wozu leben wir? 1) Um Gott zu ehren. 2) Um zu wachsen in der Gnade und der Erkenntnis unseres Herrn Jesus Christus / im Glauben erwachsen zu werden. 3) Wir leben, um Menschen zu suchen und zu Jüngern Jesu zu machen. Ein missionarischer Lebensstil ist weder ein Trick noch eine Methode. Es ist eine Lebenshaltung.
4. Jesus Christus geht davon aus, dass jeder, der sucht auch finden wird. V.6f
Und wenn er heimkommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn und spricht zu ihnen: Freut euch mit mir; denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war. Ich sage euch: So wird auch Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen. Jesus hat schon so viele verlorene Schafe gefunden! Auch mich. Jedes „Schaf“ hat eine einzigartige Geschichte, wie es gefunden wurde. Jesus hat sich um Menschen bemüht, weil er Menschen liebt und weil er glaubt, dass seine Mühe Erfolg haben wird. Wenn ich nicht glaube, dass es sich lohnt, werde ich schwer zu motivieren sein.