Warnung vor der Verführung und der Verachtung von Jüngern steht über diesem Abschnitt bei den meisten Übersetzungen. Sören Kierkegaard schreibt: „Wenn man den Schrecken der Ewigkeit wegnimmt, so wird eine Nachfolge Christi im Grunde zur Phantasterei. Denn nur dieser Ernst der Ewigkeit kann einen Menschen dazu verpflichten, aber auch dazu bewegen, so entscheidend zu wagen und zu verantworten, dass er es tut. Es soll Himmel und Hölle gelten – und aus dem Grund ihm nachfolgen wollen, um gerettet zu werden: das ist Ernst.“
In einer Fernsehdokumentation habe ich einmal gesehen, wie frisch geschlüpfte Riesenschildkröten den Weg vom Gelege am Strand ins sichere Wasser versuchten, viele es aber nicht schafften – ihr Leben verloren. Es war ein schreckliches und trauriges Geschehen. Ähnlich ist es mit Menschen, die zum Glauben an Jesus Christus gekommen sind, aber das Ziel des Glaubens nicht erreichen. Diese Sorge spricht Jesus hier an. Er möchte, dass alle Christen ans Ziel kommen.
Billy Graham sprach einmal davon, dass es 10% an Kraft und Energie braucht, um einen Menschen für Jesus zu gewinnen, aber 90% an Kraft benötigt wird, um diesen Menschen im Glauben zu festigen, dass er oder sie bei Jesus bleiben. Die erste Gefahr, die Jesus anspricht, ist vom Weg der Nachfolge abzukommen.
1. Vom Weg der Nachfolge abkommen. V.6
Wer aber einen dieser Kleinen, die an mich glauben, zum Abfall verführt, für den wäre es besser, dass ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er ersäuft würde im Meer, wo es am tiefsten ist.
Jesus spricht hier von dem „Mühlstein eines Esels“ – also ein besonders großer, schwerer Mühlstein, den nur ein Esel bewegen konnte. Allerdings war es bei den Juden nicht Brauch, einen Menschen durch Ertränken hinzurichten. Sie schauderten, wenn sie hörten, dass Heiden in dieser Weise einen Lebendigen so hinrichteten. Mit Absicht hat Jesus das Bild gerade dieser barbarischen Todesstrafe gewählt. Der Mühlstein am Hals schließt jede Rettung aus und verhindert den Leichnam, jemals wieder aufzutauchen. Es ist kein Begräbnis möglich! Einer der ersten, die als Wiedertäufer angeklagt und verurteilt wurden, war Felix Manz. Er wurde in den ersten Januartagen des Jahres 1527 in der Limmat in Zürich ertränkt. Ein grausamer Tod. So ertränkt zu werden im tiefsten Meer wäre für den Seelenverderber ein Glück, verglichen mit der Pein, die er erleiden wird für die Schuld, einen Christen zum Abfall verführt zu haben.
Dies ist eine sehr ernste und reale Gefahr: Christen können stolpern, stürzen, verführt werden, von Jesus abfallen! Das Wort „Abfall“ übersetzt das griech. © 2013 A. Betke, – daher das Wort Skandal. „Dieses Wort, das im Deutschen weder durch Ärgernis, noch durch Anstoß, noch durch Verführung, noch durch Verderben ganz übersetzt werden kann, bezeichnet offenbar den wundesten Punkt der Gemeinde. (...) Wir erinnern an das furchtbar scharfe Wort, mit dem Jesus den Petrus als den Satan von sich wies, als er ihm zum skandalonwerden wollte. skandalonist das Hindernis, das sich einem in den Weg wirft, so dass er darüber stolpert oder dadurch von der Richtung abgelenkt wird und in das Verderben fällt.“ (Vischer, S.62) skandalonist der Anlaß, der das Zusammenleben zwischen Gott und Mensch stört oder zerstört.
In dem Buch „Briefe an einen Unterteufel“ schreibt C.S. Lewis von dem geistlichen Kampf um einen Menschen, der zum Glauben an Jesus Christus gekommen ist. Ein Unterteufel bekommt Anweisungen, wie er diesen Christen zurückgewinnen kann. Der Teufel ist letztlich der Urheber für jeden Abfall. Er ist erfahren und gerissen! Doch wehe dem, der zum Fallen eines Christen beiträgt. Darum laßt uns nicht mehr einer den andern richten; sondern richtet vielmehr darauf euren Sinn, daß niemand seinem Bruder einen Anstoß oder Ärgernis bereite. Röm 14,13
2. Vom Weg der Nachfolge abbringen. V.7
Weh der Welt der Verführungen wegen! Es müssen ja Verführungen kommen; doch weh dem Menschen, der zum Abfall verführt! Das Weh ist eine Gerichtsankündigung. Gott wird jeden Verführer zur Verantwortung ziehen und bestrafen, auch wenn der Teufel selbst hinter aller Verführung steht.
Und es wurde hinausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt: Teufel und Satan, der die ganze Welt verführt, und er wurde auf die Erde geworfen, und seine Engel wurden mit ihm dahin geworfen. Offb 12,9
„Man kann also den Anfängern im Glauben, den Kleinen, sehr leicht durch Lieblosigkeit, Rücksichtslosigkeit, böses Beispiel, Hochmut, Nichtbeachtung, Kühle und Kälte im Benehmen, falschem Eifer einen Anstoß geben, so dass sie irre werden und den Glauben wieder verlieren. Man kann ihnen also leicht einen Stein in den Glaubensweg legen, über den sie stolpern, fallen und verderben.“ (Fritz Rienicker) Das bedeutet: Du und ich – wir sind immer auch Vorbild für andere – zur Hilfe oder zum Schaden. Es geht nicht nur darum, dass ich nicht von Jesus und seiner Gemeinde abfalle. Es besteht auch die ernste Gefahr, dass durch mich, durch dich andere stolpern, stürzen.
3. Strenge gegen sich selbst üben. V.8+9
Wenn aber deine Hand oder dein Fuß dich zum Abfall verführt, so hau sie ab und wirf sie von dir. Es ist besser für dich, dass du lahm oder verkrüppelt zum Leben eingehst, als dass du zwei Hände oder zwei Füße hast und wirst in das ewige Feuer geworfen. Und wenn dich dein Auge zum Abfall verführt, reiß es aus und wirf's von dir. Es ist besser für dich, dass du einäugig zum Leben eingehst, als dass du zwei Augen hast und wirst in das höllische Feuer geworfen. V.8f
Gibt es so etwas, wie Selbstamputationen? Gibt es Menschen, die sich von einem Körperteil trennen? Ja. In seltenen Situationen haben Menschen sich ein Körperteil amputiert, doch nur, weil sie sonst das Leben verloren hätten. Um das eigene Leben zu retten, greifen Menschen zu radikalen Maßnahmen. Verunglückte einsame Bergesteiger, die in Not sind z.B. Eben noch hatten die Jünger darüber verhandelt, wer der Größte ist im Reich Gottes. Jetzt spricht Jesus von der Gefahr, dass ein Jünger verloren geht, wenn er nicht Strenge gegen sich selbst übt. Wie ernüchternd. Aber wie ist das zu verstehen, was Jesus hier sagt?
Deine Hand – damit treiben wir ein Hobby oder eine Betätigung, die uns möglicherweise auf Dauer ganz in Beschlag nehmen, so dass Jesus nicht mehr den 1. Platz hat. Dann sind wir in Gefahr. Es besteht die Gefahr, dass ich durch mein Hobby oder meine Arbeit Jesus nicht folgen und dienen kann.
Dein Fuß – damit erreichen wir ein Ziel, Lebensziel, für das wir Zeit, Kraft und Geld investieren, um es zu erreichen, obwohl es nicht im Einklang ist mit einem Leben in der Nachfolge. Das ist eine Gefahr! Wofür lebst du? Was willst du erreichen? Gehst du deinen Weg mit Jesus oder ohne ihn?
Dein Auge – damit können wir etwas anschauen, weil es uns fasziniert? Dein Auge sieht auf das, was du haben willst; dein Ehrgeiz ist geweckt, doch wird Jesus dadurch geehrt, groß gemacht? Das ist eine ernste Gefahr!
Im Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld sagte Jesus, Die aber auf dem Fels sind die: wenn sie es hören, nehmen sie das Wort mit Freuden an. Doch sie haben keine Wurzel; eine Zeitlang glauben sie, und zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab. Was aber unter die Dornen fiel, sind die, die es hören und gehen hin und ersticken unter den Sorgen, dem Reichtum und den Freuden des Lebens und bringen keine Frucht. Das aber auf dem guten Land sind die, die das Wort hören und behalten in einem feinen, guten Herzen und bringen Frucht in Geduld. Lk 8,13-15
Als ich nach 7 Jahren im Ausland wieder in Deutschland war, brauchte ich dringend eine Arbeit. Das erste Angebot war verlockend. Ich könnte für eine Spedition LKW fahren, müsste aber oft abends und nachts fahren. Mein Pastor bat mich, ernsthaft zu prüfen, ob ich mich in der Gemeine einbringen könnten, am Gemeindeleben teilnehmen könnte. Das wäre sehr schwer gewesen. Ich nahem die Arbeit nicht an. Wenige Wochen später bekam ich eine Arbeit, die es mir erlaubte, am Gemeindeleben teilzunehmen.
So wie die Deiche regelmäßig auf Rissen geprüft werden müssen, um das Leben von vielen tausend Menschen zu schützen, so muss unser Leben regelmäßig durch das Wort Gottes geprüft werden. Auch bei uns können leicht kleine Risse zu großen werden. Wir tun gut daran, am der Lehre und an der Verkündigung festzuhalten. Wir brauchen das Wort und die Gemeinschaft!