Herr Richard aus Neumünster war 28 Jahre lang Briefträger, dann wurde er arbeitslos und musste die Postbeamtenkrankenkasse verlassen. Eine private Krankenversicherung suchte er seitdem vergeblich. 2004 erlitt Herr Richard einen Herzinfarkt. Er ist seitdem auf teure Medikamente angewiesen. Er war verzweifelt.
„Wenn sie mir nicht die Zusage gegeben hätten, hätte ich mein Leben weggeschmissen. 100%tig. Ich war so verzweifelt, ich war am Ende.“
Diese Worte in der NDR Reportage „Praxis ohne Grenzen“ am 25.11. haben mich sehr betroffen gemacht.
Eigentlich sind Dr. Uwe Denker (72) und seine Ehefrau schon längst im Ruhestand. Die Tatsache aber, dass es Menschen gibt, die keine Krankenversicherung haben, lässt den Allgemeinmediziner und die Arzthelferin weitermachen. Patienten, die in ihre Praxis nach Bad Segeberg in Schleswig-Holstein kommen, müssen für die Behandlung nichts bezahlen.
"Es darf nicht sein, dass Menschen sterben, nur weil sie sich eine Krankenkasse nicht mehr leisten können", sagt Dr. Denker.
Nach seinen Schätzungen ist mindestens ein Prozent der Bevölkerung in Deutschland nicht krankenversichert. In der "Praxis ohne Grenzen" suchen vor allem Selbstständige, aber auch alleinerziehende Mütter, alte Menschen mit niedriger Rente, Flüchtlinge, Asylbewerber und illegale Einwanderer medizinische Hilfe. Offiziell gibt es bundesweit zehntausende Menschen ohne Krankenversicherungsschutz.
Herr Richard ist ein Mann, der sein Leben einem anderen Menschen verdankt. Wie ist das, wenn man weiß, dass man sein Leben einem anderen Menschen verdankt? Tuberkulose, Polio und Diphtherie haben heute ihren Schrecken verloren. Das verdanken wir Menschen wie Robert Koch und Emil von Behring. Wie ist das, wenn man auf jemanden wartet, der helfen kann mit einem Spenderorgan, mit einer Rückmarkspende, mit einem Medikament? Wie ist das, wenn man verzweifelt ist, weil niemand da ist, der hilft, der helfen kann und will? Sich ohnmächtig zu fühlen muss hart sein! Haben wir uns schon zu sehr daran gewöhnt, dass es für alles Lösungen, Hilfen, Beistand gibt?
Auch das ist Advent: das sehnsüchtige, verzweifelte Warten und Hoffen auf Hilfe. Wird einer kommen? Gibt es einen, der mir hilft? Zur Adventszeit gehört auch, dass wir wieder weinen lernen über das Unvermögen und das Leiden in der Welt. Und ich weinte sehr, weil niemand für würdig befunden wurde… V. 4 Zum Advent gehört auch, dass wir das Kommen von Jesus als das sehen, was es wirklich ist: das Größte und Schönste und glücklichste Ereignis der Weltgeschichte. Wie können wir Offb 5 und seine Bedeutung wirklich verstehen? Wir hängen am Leben. Doch Gott hängt an uns.
1. Niemand ist würdig – darum weinte Johannes. 5,1-4
Und ich sah in der rechten Hand dessen, der auf dem Thron saß, ein Buch, beschrieben innen und außen, versiegelt mit sieben Siegeln. Und ich sah einen starken Engel, der rief mit großer Stimme: Wer ist würdig, das Buch aufzutun und seine Siegel zu brechen? Und niemand, weder im Himmel noch auf Erden noch unter der Erde, konnte das Buch auftun und hineinsehen. Und ich weinte sehr, weil niemand für würdig befunden wurde, das Buch aufzutun und hineinzusehen.
Das Verbindende zwischen der letzten Predigt am Ewigkeitssonntag und dem 1. Advent: Männer, die weinen. Dort die drei Freunde des Hiob (Kap 2). Hier der alte Apostel Johannes. Offenb 4+5 berichten von einer Vision. Kap. 4 beschreibt das, was immer vor Gottes Thron ist und geschieht, insbesondere die andauernde himmlische Anbetung. Kap. 5 berichtet von einem entscheidenden Ereignis am Thron. In der Buchrolle (vgl. Hes 2,9f) sind alle von Gott vorherbestimmten Ereignisse der Endzeit aufgezeichnet.
Wer ist würdig, die Buchrolle zu öffnen und ihre Siegel zu lösen?
Das ist die entscheidende Frage. Wer diese Buchrolle öffnet, hat auch die Macht, die Welt zu erlösen. Würdig – urspr. bedeutete das Wort: „den anderen Waagbalken heraufführend, ihn ins Gleichgewicht bringend: gleichwertig; wert.“ Würdigt bedeutet, Wer ist von seinem Wesen, seiner Position oder Leistungen in der Lage dazu?
Da weinte ich sehr, Eine dramatische Pause ist entstanden. Eine bedrückende, unerträgliche Stille. Auf diese Weise wird die Einzigartigkeit Jesu und seine Bedeutung für die ganze Welt sehr deutlich. Wenn die sieben Siegel nicht geöffnet werden, so ist die Welt dem Untergang preisgegeben.
Im 12. Jahrhundert ereignet sich im Kloster Clairvaux eine unscheinbare Begebenheit. Bruder Nikolaus, der sich vom Schiffbruch der Welt ins dortige Kloster gerettet hatte, bittet den Abt Bernhard, er möge ihm von Gott die Gnade der Tränen verschaffen. Sein Herz sei offenbar zu keinem Tränenfluss fähig. Der Abt betet für den jungen Bruder und tatsächlich erwirkt er die Gabe der Tränen... Der Schiffbruch der Welt hatte ihn nicht unberührt gelassen - aber das noch größere Leid bestand darin, dass er seinen Empfindungen keinen Ausdruck geben konnte. Der Abt Bernhard von Clairvaux kennt diese Not sehr genau: Es muss heraus, was ich innen leide, so fasst er seine eigene Trauererfahrung zusammen, bei der er zunächst das Feuer niederhielt, das mir doch die wehe Brust versengte und mein Inneres verzehrte... Den Tränen konnte ich gebieten, der Traurigkeit nicht... Doch der unterdrückte Schmerz trieb seine Wurzeln umso tiefer in meine Seele und wurde, ich fühlte es, umso herber, je weniger ich ihm nach außen Luft machte.
Johannes ist verzweifelt und weint. Seine Tränen sind Tränen über den scheinbaren Sieg des Bösen und der Verlorenheit der Welt. Adolf Pohl schreibt: "Er (Johannes) sieht etwas wie einen Bann auf der Geschichte liegen: Wie wenig Veränderung bei so viel Anstrengung, Dampf und Hitze, bei so viel Blut und Schmerz und Tränen und welch sinnloser Kreislauf von Kampf und Ergebung, Sieg und Niederlage, Sammeln und Verlieren, Umarmen und Schlagen, Leben und Sterben! Es bedrückt Johannes, dass bei so viel Geschehen doch nichts geschieht, sondern immer nur das Alte von neuem anzufangen scheint. Aber soll das immer so weitergehen? Sollte die Geschichte in einem ewigen Wirrwarr von Phrasen und Enttäuschungen oder von Beten und Fluchen bestehen. In diesem Schweigen angesichts der Sinnfrage weint Johannes sehr. Er weint angesichts einer Welt, in der er vergeblich nach einer göttlichen Lösung Ausschau hält" (aa0 175). Es ist unmöglich, mit kaltem Herzen oder trockenen Augen für Christus zu arbeiten und zu zeugen.
2. Jesus Christus, das Lamm Gottes, ist würdig. 5,5ff
"Dieser Weinende in der Offenbarung ist ein Mensch und hat die kritische Situation empfunden, in welcher wir uns befinden, und dann bekommt er den Trost: 'Weine nicht!'
(Christoph Blumhardt, Eine Auswahl aus seinen Predigten, Andachten und Schriften, Bd III, 78ff).
Ich sage mir: Also weine ich auch nicht! Nur der auferstandene Christus kann die Siegel dieses Buches lösen und dadurch das Geschehen der Endzeit in Gang setzen. Höhepunkt der Szene ist die Anbetung des Lammes, als es die Buchrolle aus der Hand Gottes nimmt.
… und empfing das Buch ... Der Empfang der Buchrolle ist eine unscheinbare und kleine Geste. Aber in dieser Geste offenbart sich die Hoheit und Würde Jesu, Anbetung und Lobpreis entgegenzunehmen von der ganzen unsichtbaren Welt. Obwohl keine Worte fallen und sonst auch nichts passiert, erkennen die vier Engel und die 24 Ältesten die ungeheure Bedeutung dieses Akts. Hier wird die Einzigartigkeit von Jesus sehr deutlich beschrieben. Jesus ist der einzige Heilsbringer für Christen. Es gibt nicht „viele Wege“ zur Seligkeit. Es gibt nur einen: Jesus Christus. Das ist und bleibt für viele Menschen ein Ärgernis. Das ist aber auch das klare Zeugnis der Bibel: Und in keinem andern ist das Heil, auch ist kein andrer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen selig werden. Apg 4,12 Jesus sagte zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich. Joh 14,6 Vgl. Phil 2,8ff
Und jedes Geschöpf, das im Himmel ist und auf Erden und unter der Erde und auf dem Meer und alles, was darin ist, hörte ich sagen: Dem, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm sei Lob und Ehre und Preis und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Offb 5, 13
„Wir bleiben hier weit zurück. Unser Rühmen ist arm. Unser Jubel sehr verhalten. Unser Dank findet selten würdige Worte und zeigt schon gar keine Begeisterung. - Aber warum ist das so? Haben wir nichts zu preisen? Fehlt es an Gründen zum Loben und Danken? - Ich glaube nicht. Abgestumpft sind wir. Alles Schöne, Wertvolle unseres Lebens ist selbstverständlich geworden. Wir haben uns daran gewöhnt, dass es uns gut geht, Gott uns täglich unzählige Gaben schenkt und darunter manche, die wir vielleicht einmal ersehnt und flehentlich erbeten haben und doch nie glaubten, einmal zu besitzen. Alle werden wir dem recht geben müssen, der sagt: Wir nehmen Gottes Güte viel zu selbstverständlich hin. Wir achten zu wenig, was uns durch Jesus Christus geschenkt ist. Lob und Dank, schon gar Jubel und Huldigung vernimmt man bei uns so gut wie gar nicht. - Was können wir tun? (…)
Jemand sagt: "Das Geheimnis der Erlösung ist Erinnerung." Ich finde, das ist ein gutes, ein treffendes Wort. Vielleicht müssten wir es heute so umschreiben: "Wenn wir loskommen wollen von unserem in uns verschlossenen und undankbaren Wesen, das nicht mehr rühmen und loben kann, dann müssen wir uns erinnern!" Und warum? Weil wir das doch auch in uns als Mangel empfinden, weil wir doch schon lange ahnen, ja, vielleicht wissen, dass es so nicht sein soll, nicht sein darf... weil es einfach unangemessen ist! Es passt ewig nicht zu Gottes verschwenderischer Güte, und zu der Liebe Jesu Christi zu uns, passt es auch nicht.“ (Pastor Manfred Günther)