Jemand schrieb mir: „Leben ist das, was gerade passiert, während wir eifrig dabei sind, andere Pläne zu machen.“
Da ist was dran, dachte ich zuerst. Und doch: Leben ist nicht nur das, was gerade passiert. Hoffnung gehört auch zum Leben. Hoffnung ist der Sauerstoff der Seele.
Wie lange noch? Oft wird so gefragt. Diese Frage ist allen Eltern vertraut, die mit ihren Kindern eine Reise machen. Wie lange noch bis wir da sind? Wer im Krankenhaus liegt, wird diese Frage stellen und von Besuchern hören. Und wie schön, wenn man wieder nach Hause kann! Auch Schwangere hören diese Frage und stellen sie selbst. Wer sät und pflanzt fragt sich, wie lange es noch bis zur Ernte dauert. Und wenn ich vom Arzt höre, „Es geht zu Ende sie haben nicht mehr lange, “ dann möchte ich wissen: „Wie lange noch?“
Diese Frage kann nicht immer beantwortet werden. Wir leben immer auch mit Plänen und Hoffnungen.
Aber was wäre, wenn nicht mehr gefragt wird „wie lange noch“?
Ist das vorstellbar? Würden wir nicht sagen: „Das kann nicht sein! Undenkbar. Wer keine Pläne und Hoffnungen hat, der hat sich aufgegeben.“ Aber das war die Situation des Volkes Israel. Für sie gab es nur Geschichte im Rückblick, nicht in der Zukunft. Darum spricht Gott dies Wort durch Jesaja:
Denn siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr's denn nicht? Jes 43,19a
1. Ein Wort für eine ausweglose Situation.
Dies Wort wurde erstmals von einem Propheten im Auftrag Gottes in eine völlig auswegslose Situation hinein gesprochen: Nach wiederholten Bußrufen Gottes wurde im Jahr 722 v.Chr. das Nordreich zerstört. Der größte Teil der Bevölkerung wurde nach Assyrien (im Gebiet des heutigen Irak) deportiert. Dort konnten sie zwar in relativer Freiheit leben, aber eine Rückkehr in ihr Land war ihnen verboten. Die Vorstellung einer Rückkehr in die Heimat war unrealistisch. Resignation breitete sich unter den ins Exil verschleppten Juden aus. Sie lebten ohne Hoffnung!
In dieser Situation erhielten Männer von Gott den Auftrag, den Menschen Botschaften der Hoffnung zu übermitteln. (Nachzulesen in Hesekiel, Obadja und in Jesaja 40-55) Es waren Aufrufe an die Verbannten, entgegen allen sichtbaren Randbedingungen das Vertrauen in den allmächtigen Gott nicht aufzugeben.
Durch Jesaja weist Gott ausdrücklich auf einen Neubeginn hin, den er selbst veranlasst hat und den die Menschen noch nicht sehen. Jes 43,19 steht im Zusammenhang mit der Heimkehr Israels aus dem babylonischen Exil. Manche nennen die Kapitel ab Jes 40 nicht ohne Grund auch das „Trostbuch“ des Volkes Gottes. Gerade diese Kapitel wurden zu den meistgelesenen Abschnitten des AT für die junge Christenheit.
Darum geht es Gott, dass sein Volk trotzdem hofft und vertraut weil Gott treu ist. Entgegen allen sichtbaren Randbedingungen das Vertrauen in den allmächtigen Gott nicht aufzugeben.
Es gibt Lebenssituationen, da fällt es sehr schwer, Hoffnung zu haben. Gott ließ Abraham und Sara alt werden, bevor er sein Wort erfüllte. Doch Abraham zweifelte nicht an der Verheißung Gottes durch Unglauben, sondern wurde stark im Glauben und gab Gott die Ehre und wusste aufs allergewisseste: was Gott verheißt, das kann er auch tun. Röm 4,21f Gott ließ Isaak und Rebekka 20 Jahre warten, bevor er sein Wort erfüllte. Gott schenkte Elisabeth und Zacharias einen Sohn im hohen Alter.
Gott kann!
Sehet nun, dass ich's allein bin und ist kein Gott neben mir! Ich kann töten und lebendig machen, ich kann schlagen und kann heilen, und niemand ist da, der aus meiner Hand errettet. 5 Mo 32,39 Unser Gott ist im Himmel; er kann schaffen, was er will. Ps 115,3
2. Ein Wort, das Hoffnung schafft.
Ein Gotteswort, das Hoffnung schafft! Ist jemand hier, der sich wünscht, dass Gott Neues schafft in seinem Leben, in der Gemeinde, im Leben anderer? Stell dir vor: du vertraust jeden Tag darauf, dass Gott dir verspricht: „Siehe, ich will ein Neues schaffen!“ Jesaja ist ein Mutmach-Prediger. Er hört das Gras wachsen, er riecht die neue Zeit, er schaut über den Horizont hinaus. Seht doch endlich, was Gott für euch angelegt hat. Er hat durch Christus bereits alles für euch getan, was euch Mut zu Schritten in die Zukunft macht. Glaubt doch Gott mehr als euren Grübeleien und Ängsten.
Wer sich für Gottes Versprechungen öffnet, auch im Gebet, der erlebt Überraschungen. Israel soll in seinen schweren Verhältnissen in der Zeit nach dem Exil der Heilsbotschaft (Gott hat vergeben, die Strafe ist abgegolten, vgl. 40,1 ff) Glauben schenken und sich auf den Weg machen. Sie sollen nicht die alten Heilstaten, die sie in ihren Gottesdiensten feiern, vergessen. Aber sie dürfen nicht den Blick verstellen für das Neue, das Gott schafft: Nach Israel zurückkehren und den Neuanfang wagen.
3. Ein Wort wie ein einladendes Bild.
Wenn in der Bibel von der Zukunft gesprochen wird, geschieht dies meistens in Bildern. Tatsächlich sind Bilder ja die konkreten Vorstellungen dessen, was zu erwarten ist. Damit kommt die Bibel unseren Gewohnheiten entgegen, Inhalte in bildlicher Form abzuspeichern. Innere Bilder machen den größten Teil unserer Erinnerung aus. Und auch unsere Zukunft stellen wir uns meistens in bildlicher Form vor. Aber auch unsere Ängste sind häufig nichts anderes als negative Zukunftsvisionen. Es ist somit nicht gleichgültig, welche inneren Bilder wir fördern. Welche Visionen haben wir (Lk 2,22-32)? Die Vision vom Neuen, das Gott schaffen will, klang im damaligen politischen und religiösen Umfeld in Babylon wirklichkeitsfremd. Und dennoch erfüllte sie sich: Im Jahr 538 v. Chr. eroberte der Perserkönig Kyros Babylon und verfügte in einem Edikt die Rückkehr der Verbannten in ihre Heimat und den Wiederaufbau der zerstörten Stadt Jerusalem.
„jetzt sprosst es“ das weist auf die geschichtlichen Ereignisse hin. Die Möglichkeit, wieder in die Heimat, ihr Land, zurückzukehren, kam. Es sprosst das ist ein Bild aus der Natur, aus dem Frühling: Es kommt nicht schlagartig. Es wächst zart empor. Gott wirkt auch im Kleinen und Unscheinbaren, weil es in seinem Reich oft erst einmal „nur sprosst“. Interessanterweise ist „Spross“ nach Römer 15,12 ein messianischer Titel, der auf Jesus hinweist, dessen Anfänge auch erbärmlich waren, zaghaft, zart und zerbrechlich. Aber was ist daraus geworden (vgl. Jes 11,1 u. 53,2)!
„Erkennt ihr es nicht?“ Jesaja muss damit ringen, dass Israel trotz des offensichtlichen Handeln Gottes in der Geschichte für SEIN Handeln blind und taub zu sein scheint (42,18). Damals wie heute ist Gottes Verheißung eine Herausforderung: „Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihrs denn nicht?“ Heute gilt: Vertrau Gott und höre auf ihn. Jes 43,19 macht Mut. Für Gläubige ist das Wort ein Impuls für Glaubens-Schritte.
„Der Pessimist ist der einzige Mist, auf dem nichts gedeiht.“ Ein nicht sehr vornehmer, doch nachdenkenswerter Spruch aus alten Tagen. Jes 43,19 ist eine höchst positive Botschaft. Neues wird geschehen. Das ist spannend. Hoffnung macht das Leben interessant. Der Glaube macht hellwach für Neues. Denn hier spricht Gott, und was er spricht, das geschieht. Mit diesem Wort spannt er einen denkbar weiten Bogen vor uns auf, von der Schöpfung Und Gott sprach: Es werde! bis zur Neuschöpfung: Siehe, ich mache alles neu (Offb 21,5). Wie Gott aus der Knechtschaft in Ägypten befreit hat der "erste Exodus" , so befreit er jetzt aus der babylonischen Gefangenschaft der "zweite Exodus".
Aus dem Neuen Testament wissen wir: der dritte Befreiungsakt folgt, nämlich der Freikauf aus der Knechtschaft der Sünde durch den Kreuzestod Jesu. Und schließlich wird er die Erlösung vollenden:
Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken wird.
(Jes 65,17)
Mit dem befreienden Handeln Gottes geht das schöpferische einher. In der Auferweckung des Gekreuzigten schafft Gott absolut Neues. Wer an ihn glaubt, hat bereits jetzt Anteil an dem neuen Leben, denn ist jemand in Christus, so ist er eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. (2. Kor. 5,17). Nicht mehr in der Jammerspur, sondern in der Hoffnungsspur. Wir sind besser dran, als wir ahnen. Wie lange noch? Lasst uns fragen und vertrauen! Oder mit den Worten von Matthias Claudius:
Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land, doch Wachstum und Gedeihen steht in des Herren Hand.