'Wir sind nicht Kain, Herr.
Wir haben unseren Bruder nicht erschlagen. Aber unsere Worte sind oft scharf wie Messer.
Wir sind nicht Kain, Herr.
Wir haben keinen Stein gegen andere geworfen. Aber in Gedanken haben wir sie abgeschrieben und mit Blicken erniedrigt.
Wir sind nicht Kain, Herr.
An unseren Händen klebt kein Blut. Doch aus Gleichgültigkeit und Blindheit haben wir die im Stich gelassen, die unsere Hilfe nötig hatten. Sei uns gnädig, Herr'.
(Karl-Heinz Ronecker)
Mit 23 Jahren lebte und arbeitet ich ein Jahr in der Schweiz. Der Anfang war nicht einfach, vor allem weil mir Freunde fehlten. Darum war ich überglücklich als ich eine christliche Jugendgruppe in der Chrischona Gemeinde kennenlernte. Vor allem die freundliche Begrüßung unter den jungen Leuten war für mich eine große Hilfe und ich genoss es sehr, wahrgenommen, wertgeschätzt zu werden. Es gab eine Art Ritual: Zu Anfang jedes Treffens begrüßte jeder die anderen namentlich per Handschlag und genau so haben wir uns verabschiedet: namentlich und per Handschlag. So lernte ich schnell alle Namen kennen und die anderen lernten meinen Namen kennen. Und ganz schnell hatte ich das Gefühl: ich gehöre dazu!
„In der Bibel finden wir das Bild einer Gesellschaft, deren Fundament darin besteht, dass alle Menschen sich gegenseitig mit Wertschätzung und Achtung begegnen.“ Das schreibt Tom Marshall in seinem Buch Harmonische Beziehungen (S.72). Hier sind ein paar Beispiele für diese Aussage:
Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass du lange lebst in dem Land, das dir der Herr, dein Gott, geben wird. 2.Mo 20,12
Die brüderliche Liebe untereinander sei herzlich. Einer komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor. Röm 12,10
Desgleichen, ihr Männer, wohnt vernünftig mit ihnen zusammen und gebt dem weiblichen Geschlecht, als dem schwächeren seine Ehre. 1 Petr 3,7
Die Ehe soll in Ehren gehalten werden bei allen, Heb 13,4
Alle, die als Sklaven unter dem Joch sind, sollen ihre Herren aller Ehre wert halten, damit nicht der Name Gottes und die Lehre verlästert werde. 1 Tim 6,1
Dem, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm sei Lob und Ehre und Preis und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Offenb 5,13
Ehrt jedermann, habt die Brüder lieb, fürchtet Gott, ehrt den König. 1 Petr 2,17
Jeder Mensch soll geehrt werden. Achtet alle Menschen, so steht es in der Hoffnung für alle Bibel. Menschen ehren, achten, wertschätzen – wie gelingt das im Alltag? Wir wollen praktische Möglichkeiten anschauen, wie wir Menschen achten und wertschätzen.
Wir achten und wertschätzen Menschen, wenn wir...
1. ... für sie beten. Lk 22,32
Ich bete für Menschen, weil sie mir wichtig sind. Fürbitte ist ein Ausdruck der Wertschätzung. Jesus sagte Petrus: Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder. Lk 22,32 Ich bete für dich. Das dürfen wir Menschen auch sagen. Für Menschen vor Gott einzutreten ist ein wichtiger Dienst. Er erinnert uns: dieser Mensch ist wichtig und wertvoll. In seiner Fürbitte für Christen, die er zum Teil nicht persönlich kannte, zeigt Paulus seine Liebe für diese Mitchristen, seine geistliche Sorge um ihr Wohl, und seine geistliche Reife: Röm 1,8-10; Eph 1,15-19; 3,14ff; Phil 1,3-11
D. Bonhoeffer schreibt in seinem Buch Gemeinsam leben: Eine christliche Gemeinschaft lebt aus der Fürbitte der Glieder füreinander, oder sie geht zugrunde. ... Es gibt keine Abneigung, keine persönliche Spannung oder Entzweiung, die nicht in der Fürbitte, was uns betrifft, überwunden werden könnte. Die Fürbitte ist das Läuterungsbad, in das der einzelne und die Gemeinschaft täglich hinein müssen. ... Fürbitte tun heißt: Dem Bruder dasselbe Recht einzuräumen, das wir empfangen haben, nämlich vor Christus zu stehen und an seiner Barmherzigkeit Anteil zu haben. Es ist damit deutlich, dass auch die Fürbitte ein schuldiger Dienst an Gott und unserm Bruder ist, der täglich getan sein will. Wer dem Nächsten die Fürbitte versagt, der versagt ihm den Christendienst. (S. 73f) Vgl. Abrahams Fürbitte für seinen Neffen Lot 1 Mo 18,16ff
2. ... uns für sie Zeit nehmen. Lk 19,1-10 Eph 5,16
Zeit ist eines unserer kostbarsten Güter! Aus der Sicht der Bibel ist Zeit Kapital, das uns nicht gehört:
Lk 12,19 hab nun Ruhe... Es gibt eine Zeitplanung ohne Gott, als ob wir unsere Lebenszeit nur für uns selbst bekommen hätten. Doch Gott will, dass wir sorgsam mit der uns gegebenen Zeit umgehen. Das Gleichnis von den anvertrauten Gaben lehrt uns und fordert uns heraus:
Was machen wir mit Gottes Gaben in der uns gegebenen Zeit?
Nach langer Zeit kam der Herr dieser Knechte und forderte Rechenschaft von ihnen.
Matth 21,19
Unser Leben ist anvertraute Zeit:
Meine Zeit steht in deinen Händen.
Ps 31,16
Darum, Kauft die Zeit aus, denn es ist böse Zeit.
Eph 5,16.
Macht etwas nützliches aus der euch gegebenen Zeit. Ihr habt Möglichkeiten dazu. Einige Möglichkeiten sind einmalig.
Wie hat Jesus die Zeit ausgekauft?
Jesus nahm sich Zeit für ein Gespräch mit der Frau am Jakobsbrunnen; für den verachteten Zöllner Zachäus, um mit ihm zu essen; für Kinder, um sie zu segnen; für Aussätzige. Kranke und Lahme, um sie zu heilen; für Menschen, um sie zu lehren; für Gott im Gebet; für Gottes Wort, um in Weisheit und Erkenntnis zu wachsen; für sich selbst um auszuruhen.
Christsein erfordert gute Zeitplanung und Spontaneität. Möglichkeiten entgehen uns, weil wir sie nicht planen oder nicht wahrnehmen. Jesus hat vieles nicht geplant - aber er hat Chancen wahrgenommen, seine Zeit auszukaufen. Ein gemeinsames Mittagessen oder Abendessen mit der Familie ist wertvolle Zeit, wertvoller als wenn jeder für sich essen würde. Doch ein gemeinsames Essen erfordert gemeinsame Planung. Sich für Menschen Zeit zu nehmen, heißt bereitwillig und nicht widerwillig für andere da sein. Kluger Umgang mit Zeit heißt auch, sich nicht verplanen zu lassen. Wem ist denn geholfen, wenn ich über zu viele Termine klage? Vielmehr will ich das Beste aus den Terminen machen, die ich wahrnehmen will. Eine der besten Möglichkeiten Kinder wissen zu lassen: 'Du bist wichtig und wertvoll!' besteht darin, sich für sie Zeit zu nehmen. Unserer Nichte Kimberly schenkten wir vor Jahren zum Geburtstag einen Nachmittag. Für Erwachsene verhält es sich genauso. Wir können Menschen mit Zeit beschenken. Die Zeit vor und nach dem Gottesdienst oder Veranstaltungen; Gastfreundschaft; praktische Hilfe beim Umzug, Renovieren, Einkaufen, etc.; Fürbitte; Besuchsdienste: jemand, der einen weiten Weg macht, um mich zu besuchen, zeigt mir, dass ich ihm wichtig bin.
3. ... sie freundlich und bewusst begrüßen und verabschieden.
Lk 7,36-45; Röm 16,16
Grüßen ist ein wichtiger Teil des menschlichen Miteinanders. Täglich begrüßen wir Menschen und werden begrüßt: Guten Tag! Hallo! Na, wie geht's? Herzlich willkommen! Wir begrüßen sie herzlich! Grüße kommen schriftlich, übers Radio, übers Telephon und via Internet. Wir lassen Leute grüßen und erhalten selbst Grüße über Dritte. Der Gruß ist ein wichtiger Teil des menschlichen Miteinanders. Grußformen und -rituale sind je nach Alter und Kultur verschieden, aber der Gruß ist scheinbar ein unverzichtbarer Bestandteil von Beziehungen. Nicht gegrüßt zu werden kann als eine grobe Beleidigung verstanden werden. Was ist los? Warum grüßt er oder sie mich nicht? Hat sie was gegen mich? Menschen, die sich nicht grüßen, obwohl sie sich kennen, drücken dadurch Ablehnung aus. Man grüßt sich, wenn man sich kennt, oder?!
Grüßt euch untereinander mit dem Kuss der Liebe. 1 Petr 5,14 An diesem Kuss sind drei beteiligt: Gott und zwei Menschen, die seine Liebe empfangen haben. Diese Liebe nimmt zu, wenn man sie weitergibt. Eine englische Bibel in zeitgemäßer Sprache übersetzt diesen Vers: Shake hands warmly with each other. The Living Bible Grüßt einander mit einem herzlichen Handschlag. Oder: Begrüßt euch untereinander herzlich! Der Bruderkuss war für die ersten Christen ein regelmäßiges, wichtiges Zeichen der Liebe und Wertschätzung. Auch ohne den Bruderkuss haben wir Möglichkeiten, Wert-schätzung zu zeigen.