Wütend und frustriert warf sie den Kuchenteig in den Mülleimer. Diese Szene werde ich nie ver-gessen. Viele Jahre ist diese Begebenheit mittlerweile her. Die junge Frau, Tochter meines Chefs, wollte einen Mohnstollen machen. Aber es gelang ihr nicht. Der Mohn wollte nicht dorthin in den Teig, wohin er sollte. Nach mehreren Versuchen schleuderte sie dann den ganzen Teig wütend in den Mülleimer.
Wer hat das noch nicht erlebt, dass ein Kuchen oder ein Gericht nicht gelingt? Das kann passieren. Ich finde, das ist nicht weiter tragisch. Sicher, es ist ärgerlich. Aber so etwas passiert auch erfahrenen Köchen und Bäckern. Es ist ärgerlich, aber es gibt Schlimmeres. Wenn Beziehungen scheitern zum Beispiel. Beendete Freundschaften oder gescheiterte Ehen – das ist oft sehr schlimm. Da kann mancher ein Lied von singen. Wenn jemand sagt, „Davon kann ich ein Lied singen,“ bedeutet das übrigens: etwas aus eigener Erfahrung wissen, oder genauer: etwas Unangenehmes aus eigener Erfahrung kennen. Es bedeutet auch: Lieder sind ein Mittel, um seelische Schmerzen zu verarbeiten. Vermutlich können viele Menschen ein Lied singen von Beziehungen, die eine unglückliche, traurige Wende nahmen.
1. Davon kann ich ein Lied singen
„Davon kann ich ein Lied singen,“ das kann Gott selbst sagen, wenn es um Beziehungen geht, die scheitern. In Jesaja 5 geht es um ein Lied. Dort steht, Wohlan, ich will meinem lieben Freunde singen, ein Lied von meinem Freund und seinem Weinberg. Jes 5,1 Das Lied beginnt fast banal, wie ein einfaches Erntelied. Zuerst wird das Bild eines Weinbauern und seines liebevoll angelegten und gepflegten Weinbergs besungen. Mit dem Anbau von Wein waren die Menschen schon damals gut vertraut. Die Weingärten befanden sich gewöhnlich an den Hängen der Berge. Damit der fruchtbare Boden nicht von den Winterregen fortgeschwemmt wurde, legte man Terrassen an. Man umgab den Garten mit einem Zaun oder einer Mauer, um Schäden durch Wildschweine und Schakale zu verhindern. Der Boden wurde von Steinen gesäubert, die Weinstöcke gepflanzt, ein Wachtturm gebaut und eine Kelter ausgehauen. Ein Weinberg erfordert viel Arbeit. Harte Arbeit. Und viel Geduld. Von Zeit zu Zeit ist der Boden zu lockern und vom Unkraut zu säubern. Die Reben müssen beschnitten und gereinigt werden. Nach 3 oder 4 Jahren kann man zum ersten Mal ernten.
Mit Freundschaften und guten Beziehungen ist es auch so. Sie brauchen Zeit, Arbeit, Geduld, Einsatz. Und vor allem: Freundschaften und gute Beziehungen brauchen Liebe, viel Liebe.
2. Wenn Erwartungen enttäuscht werden
Gute Früchte, eine gute Ernte – das ist der Herzenswunsch des Weinbauern. Dafür arbeitet er hart. Über Jahre hat er investiert. In Jesaja 5,2 steht: Und er grub ihn um und entsteinte ihn und pflanzte darin edle Reben. Er baute auch einen Turm darin und grub eine Kelter und wartete darauf, dass er gute Trauben brächte; aber er brachte schlechte. (kurze Pause) Das Lied wird jetzt zum Klagelied. Eine traurig Wendung ist eingetreten. Heute würde man sagen, „Das war alles für die Katz!“
Wenn man sagt: " Das war alles für die Katz", meint man, dass etwas sinnlos war, dass die Mühe, die man sich gegeben hatte vergeblich - quasi umsonst - war. Unwillkürlich fragt man sich, was hat denn eine Katze damit zu tun, wenn eine Arbeit umsonst verrichtet wurde? "Umsonst" – das ist das Stichwort für eine kleine Geschichte von Burkard Waldis, einem Fabelerzähler. Sie heißt : "Der Schmied und die Katze". Es war einmal ein Schmied, der hat ganz gute Arbeit geleistet und ließ sich von seinen Kunden immer das dafür bezahlen, was denen die Arbeit wert gewesen war. Die Kunden wiederum fanden das ganz praktisch, sie wollten nämlich eigentlich am liebsten gar nichts bezahlen. Also sagten sie einfach immer nur "danke", wenn sie beim Schmied waren. Der blieb unbezahlt und wurde zunehmend griesgrämig, weil er immer umsonst arbeiten musste. Er nahm eine dicke alte Katze und band sie in seiner Werkstatt an. Und jedes Mal, wenn ihn ein Kunde mit einem "Danke" abspeiste, sagte er zur Katze: "Katz, das gebe ich dir." Das Dumme für die Katze war, dass sie von den leeren Worten nicht leben konnte und deswegen verhungern musste.
Wir werden eingeladen, den Schmerz und Ärger Gottes wahrzunehmen. Dies Lied vom Weinbauern und seinem Weinberg beschreibt die Beziehung Gottes zu seinem Volk Israel. In Vers 7 wird es ganz deutlich gesagt, Des HERRN Zebaoth Weinberg aber ist das Haus Israel und die Männer Judas seine Pflanzung, an der sein Herz hing.
3. Vom Risiko, sein Herz an Menschen zu hängen
Es tut sehr weh, wenn Vertrauen und Liebe verloren gehen. Es tut weh, wenn ein Freund oder eine Freundin, an der das Herz hing, die Freundschaft beendet. Die Menschen, an denen mein Herz hängt, sind nicht viele. Das ist ein kleiner Kreis: meine Frau, meine Kinder, meine Eltern und Geschwister, ein paar gute Freunde. Hängt dein Herz auch an Menschen? Jesaja spricht davon, dass Gottes Herz an seinem Volk hängt. Mich erinnert das auch an die Situation, die Jesus im Gleichnis vom verlorenen Sohn beschreibt: der Vater gibt dem Sohn sein Erbe und lässt ihn gehen. Wie viel Schmerz hat das dem Vater bereitet! Welcher Vater, welche Mutter hat ihr Herz nicht an das eigene Kind gehängt?
Jesaja singt ein Lied von einem unfruchtbaren Weinberg. Es ist in Wahrheit ein Lied von enttäuschter Liebe. Es ist ein Lied von vergeblicher Liebesmühe. Und es ist ein Lied vom tiefen Schmerz Gottes über sein geliebtes Volk, das lieber ohne Gott und sein Wort leben möchte. Auch damals waren Lieder ein Mittel, um leidvolle Erfahrungen auszudrücken. Lieder sind auch Mittel, um negative Gefühle zu verarbeiten, diesen Gefühlen eine Stimme zu geben. Das ist sehr wichtig. Ich erinnere mich an den Schmerz über eine zerbrochene Verlobung. Es tat sehr weh, als ich den Verlobungsring abnahm. Damals hat mich ein christliches Lied, das ich zufällig hörte, sehr berührt und getröstet. In dem Lied, „Herr, weil mich festhält deine starke Hand,“ heißt es in Strophe 4: „Ist auch die Zukunft meinem Blick verhüllt, vertrau ich still. Seitdem ich weiß, dass sich dein Plan erfüllt, vertrau ich still. Seh ich nicht mehr als nur den nächsten Schritt, mir ist's genug: mein Herr geht selber mit.“
Gott kennt das, wenn Beziehungen scheitern, wenn Liebe nicht erwidert wird. Davon kann Er ein Lied singen. Ich finde, hier zeigt sich ein sehr menschlicher Gott. Ein Gott, der sehr viel Geduld hat mit seinem Volk, seinen Kindern. Gott hat sehr viel Geduld mit uns, mit jedem Menschen! Hier entdecke ich einen Gott, der sein Herz an Menschen hängt und der seinem Schmerz und seinem Ärger Luft macht. Ein Gott, der mich eigene Wege gehen lässt, und sich doch von Herzen danach sehnt, dass ich zu Ihm zurückkehre; Ihm vertraue; mir Zeit nehme, mit ihm zu reden und sein Wort zu lesen. Der heilige und allmächtige Gott singt ein Klagelied. Das ist vielleicht manchmal das Einzige und das Beste, was wir tun können: unseren Schmerz und unserer Traurigkeit Gott klagen. Auch traurige Lieder gehören zur Melodie des Lebens.
Ich spreche zu zwei Gruppen heute. Zur ersten Gruppe gehören die, die am Herzen heil geworden sind. Du bist versöhnt mit den gescheiterten Beziehungen, die zu deiner Geschichte gehören. Schmerz und Groll gehören der Vergangenheit an. Du kannst Gott danken für Menschen, die dir dabei geholfen haben und für Gottes Hilfe, der Wunden geheilt hat. Gott sei Dank für geheilte Herzen. Und Gott sei Dank für geheilte Beziehungen. Versöhnung und neues Vertrauen sind ein großes Geschenk. Dafür können wir Gott jeden Tag danken!
Aber gut möglich, dass auch einige hierzu der anderen Gruppe gehören. Die „Herzschmerz-Gruppe.“ Vielleicht erlebst du gerade sehr intensiv den Schmerz über eine kaputte Beziehung. Vielleicht ist dir im Moment einfach nur nach Klagen und Weinen zu Mute. Ich wünsche dir, dass Gott dir spürbar nahe ist, dass Gott dir hilft, deine Gedanken und Gefühle auszudrücken. Gott schenke dir auch die Kraft, dich einem Menschen mit deinem Schmerz anzuvertrauen, sich auszusprechen. Einen misslungenen Kuchenteig kann man in den Müll werden. Den Schmerz über eine gescheiterte Beziehung, Kränkung, Untreue, das ganze Gefühlschaos – das kann man nicht wegwerfen. Aber wir können Gott unser Herz ausschütten.
Im Buch Psalmen steht,
Gott heilt, die zerbrochenen Herzens sind, und verbindet ihre Wunden.
Gott schenke dir diese Erfahrung.