Die Güte des Herrn hat kein Ende
2 Samuel 19,1-9  |  07.03.2010  |  V. Janke

Zwei große Erdbeben haben großes Leid über viele Menschen gebracht. Die Menschen in Haiti und Chile erleben unvorstellbares Elend. Ihre Welt ist aus den Fugen geraten durch die gewaltigen Erdbeben. Aufgrund von Schnee und Eis sind Menschen in unserem Land gestern tödlich verunglückt. Wenn Verwandte, gute Freunde, aus dem Leben gerissen werden ist das besonders für die Angehörigen als ob ihre Welt zusammen bricht. Verglichen mit deren Situation sind manche unserer Probleme banal. Können wir das Leid dieser Menschen überhaupt nachempfinden?


Vor dem Hintergrund persönlicher Tragödien erscheint das Bibelwort

„Die Güte des Herrn hat kein Ende”

vielleicht wie ein Hohn. Das Wort passt doch eher zu einer Kreuzfahrt in der Karibik. Am Swimmingpool auf dem Sonnendeck, aus dem Mund eines lebensbejahenden jungen Menschen, da passen diese Worte doch viel besser. Oder?

Wenn wir dies Lied singen, singen wir dann nur einen wunderschön vertonten Bibelvers, der zum wirklichen Leben keinen Bezug hat? Nein! Dies Lied ist viel mehr als nur eine theologische Erklärung mit einer eingängigen Melodie. Dies Wort von Gottes Treue ist der rettende Anker, der das zerbrechliche Lebensboot im Sturm hält; es ist das helle Licht, das dem verirrten Menschen in dunkler Nacht den Weg zeigt; es ist der Sauerstoff für die Seele, die kurz vorm Ersticken ist; es ist Ausdruck des Glaubens, der die Welt überwindet. Ich möchte einige Aspekte des Bildes nachzeichnen, das der Prophet Jeremia gemalt hat. Ich hoffe, dass wir dies Bibelwort besser verstehen und dies Wort eine Sehnsucht in uns weckt Gott allezeit als den ewigen Fels zu sehen, dessen Treue größer ist als unser Verstehen.
Die Predigt gliedert sich um zwei Blöcke:

  1.  Hintergrund
  2.  Hoffnung

  1. Die Erfahrung gläubiger Menschen umfasst auch Leid und Hoffnungslosigkeit.
    3,19f

Klgl 3,22 entstand nicht am Schreibtisch eines Theologen. Dies Wort kommt aus der persönlichen Erfahrung eines Mannes, der sehr viel durchgemacht hatte. Erinnern wir uns:


Erstens: 40 Jahre bevor Jeremia diese Worte schrieb, hatte Gott ihn als jungen Mann zum Propheten berufen.

Fürchte dich nicht, sagt Gott zu ihm, ich bin mit dir, wohin du auch gehst.
Jer 1,1-19

40 Jahre lang hatte dieser Mann sich bemüht, sein Volk zu warnen. 40 Jahre lang hatte er sein Volk zur Umkehr gerufen. 40 Jahre lang hatte er seinem Volk Gottes Wort gesagt. Ja, und 40 Jahre lang war er nicht nur erfolglos. Er wurde verspottet, ihm wurde gedroht, er wurde in eine schlammige Zisterne geworfen (Jer 38,4-6). Er hatte viel unter seinem Volk gelitten. Jeremia war der weinende Prophet, der erfolglose Prophet, der klagende Prophet (8,21-23; 13,15-17). Jeremia war auch der Prophet, der wegen seines Auftrags nicht heiraten durfte (16,1-9).


Für uns ist Jeremia eine Verkörperung von Jesus Christus, der sich auch vergeblich mühte sein Volk zur Umkehr zu rufen. Jeremia hat sich mit der geistlichen Not und dem kommenden Leiden seines Volkes identifiziert und über die Härte ihres Herzens geweint: Klgl 3,48-50. 600 Jahre später stand Jesus weinend vor der gleichen Stadt und sagte:

Jerusalem, Jerusalem, die du steinigst die Propheten und tötest, die zu dir gesandt sind. Wie oft habe ich deine Kinder sammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken sammelt und ihr habt nicht gewollt.
Matth 23,37f

Und als Gott dann die Strafe durch die Babylonier sandte und Jeremia Augenzeuge davon wurde, waren sicher die gleichen Worte in seinem Mund:

Jerusalem, Jerusalem, wie oft habe ich euch warnen wollen ... und ihr habt nicht gewollt.

40 Jahre erfolgloser Prophetendienst ist ein Teil des Hintergrundes.


Zweitens: Ein zweiter Teil ist die Belagerung der Stadt Jerusalem durch die Babylonier unter Nebukadnezar.
Für 2 ½ Jahre waren alle Bewohner Jerusalems eingeschlossen, einschließlich Jeremia.
2 ½ Jahre Angst, jeder Morgen könnte der letzte sein; werden sie heute in die Stadt eindringen?
2 ½ Jahre rationiertes Essen. Der Hunger wurde in der Stadt so groß, dass Mütter ihre eigenen Kinder kochten um etwas zu essen zu haben. Es war eines der dunkelsten und traurigsten Kapitel in der Geschichte des Volkes Gottes.


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Und dann, nach 2 ½ Jahren, brachen die Babylonier in die Stadt ein. Der geflohene König Zedekiah wurde geschnappt. Seine eigenen Söhne wurden vor seinen Augen hingerichtet. Ihm wurden die Augen ausgestochen. Viele wurden gefangen nach Babylon geführt - ins Exil. Ein kleiner Überrest blieb in der Stadt. Die Stadt war eine Ruine: Der heilige Tempel war geplündert und zerstört. Die Mauern waren eingerissen. Die Häuser verbrannt. Die meisten Bewohner fort. Das ist der Hintergrund: 40 Jahre vergebliches Predigen, Augenzeuge von anhaltendem Unglauben und Hochmut und dann die Erfahrung von unsagbarem Leid und einer Stadt, die eine verbrannte und verkohlte Ruine war. Jeremia dichtet das Lied zum Tod einer Stadt - das Buch Klagelieder. Vor diesem Hintergrund erkenne ich:


 1.1 | 
Gläubige Menschen
geraten unschuldig
in Mitleidenschaft.

Jeremia musste leiden weil er dazu gehörte. Er war unschuldig. Er war Gott gehorsam. Bis heute hat sich daran nichts geändert. Auch heute geraten gläubige Menschen unschuldig in Mitleidenschaft. Da sind gläubige Eltern, deren Kinder ihren eigenen Weg gingen und ihren Eltern Schmerzen zufügen. Da sind gläubige Frauen und Männer, deren Ehepartner nicht mehr ohne Alkohol und Nikotin leben wollen und können. Sünde bringt auch ins Leben unschuldiger Menschen Leid und Schmerz. Allen voran Jesus Christus - weil er sich aus Liebe zu uns bekannte, litt er die größten Schmerzen, die je ein Mensch auf Erden gelitten hat.


Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg, aber der Herr warf aller Sünde auf ihn. Jes 53,6


Mitarbeiter Gottes zu sein ist nicht möglich ohne die Erfahrung des Mitleidens. Mitarbeit in der Gemeinde erfordert die Bereitschaft mitzuleiden, Lasten anderer mitzutragen, mit den Weinenden zu weinen. Gott sei Dank für alle treuen Beter, für die Mitarbeiter in der Seelsorge und in den Hauskreisen.


 1.2 | 
Gläubige Menschen
kennen Leid und
Hoffnungslosigkeit.

Das hoffnungsvolle Bibelwort

Die Güte des Herrn hat keine Ende entstand im Herzen eines verzweifelten Mannes. Jeremia war seelisch ganz unten. Die Traurigkeit hatte seine Gefühle und sein Denken fest im Griff. An die Korinther schrieb Paulus mit Blick auf ein Glied der Gemeinde: ...

darum ermutigt ihn, damit die Traurigkeit ihn nicht verschlinge. 2 Kor 2,7


Traurigkeit kann auch einen gläubigen Menschen verschlingen. Im Jahr 1788 hatte Matthias Claudius einen schweren Schlag zu ertragen, als der Tod ihm aus der Schar der Kinder seinen eineinhalbjährigen Sohn Matthias nahm. Damals schrieb er:

Ich dachte lange schon, mein Glaube sei fest und stark; in der Stunde aber, in der ich meinen Matthias in den Sarg legte, da wollte Ergebung und Demut fast nicht halten. Der Glaube ward hart geprüft; da erst lernte ich verstehen, was es mit dem Menschenleben auf Erden auf sich hat. Was vorherging war nur Kinderspiel.

Ein Zwiegespräch der Eltern am Grab des kleinen Matthias hat er uns hinterlassen: Die Mutter:

Wenn man ihn auf immer hier begrübe, - Und es wäre nun um ihn geschehn; - Wenn er ewig in dem Grabe bliebe, - Und ich sollte ihn nicht wieder sehn, - Müsste ohn Hoffnung von dem Grabe gehn - Unser Vater, o du Gott der Liebe! - Lass ihn wieder auferstehn. Der Vater:

Er ist nicht auf immer hier begraben, - Es ist nicht um ihn geschehn! - Armes Heimchen, du darfst Hoffnung haben, - Wirst gewiss ihn wieder sehn, - Und kannst fröhlich von dem Grabe gehn. - Denn die Gabe aller Gaben - Stirbt nicht und muss auferstehn.


Deine Gnade soll mein Trost sein, wie du deinem Knecht zugesagt hast. Ps 119,76

Dies schlichte Gebet ist auch eine Art Seelsorge an sich selbst. Wir haben einen gnädigen Gott, einen barmherzigen Vater im Himmel, einen gütigen Herrn. Darum wollen wir froh und zuversichtlich dem neuen Tag entgegen sehen. Darum wollen wir auch inmitten von Leid beten und singen.



Baptisten Nordenham | Zoar-Kapelle | 26954 Nordenham | Friedrich-Ebert-Str. 65   
Gottesdienst: So 10:00

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