Euer Herz erschrecke nicht!
Glaubt an Gott und glaubt an mich!(Jahreslosung 2010)
Bis vor Kurzem stand vor dem Haus von Tahdens eine große Buche. Kürzlich erfuhr ich von Gerold über die Anfänge. Seine Mutter hat das erlebt. Es war wenige Tage nachdem der Baum gepflanzt war, als es an der Tür klopfte. Ein Sturm tobte. Vor der Tür stand der kleine Baum: „Dieser Sturm ist nicht auszuhalten. Kann ich diese Nacht bei euch im Haus verbringen?,‟ fragte der Baum höflich. Natürlich haben Gerolds Eltern dem Baum Schutz gewährt. Im Lauf der Jahre kam der kleine Baum regelmäßig an die Tür. Mal brauchte er etwas zu trinken. Ein anderes Mal bat er um einen Regenschirm. Einmal wollte er sogar eine Mütze haben. Es war ihm zu kalt draußen…
Kommt euch die Geschichte merkwürdig vor? Wenn ihr jetzt denkt, „Volkmar spinnt doch...‟ dann habt ihr natürlich Recht. Bäume klopfen nicht an Haustüren, bitten nicht um Wasser oder Mützen. Im Gegenteil. Wind, Hitze, Regen, Kälte machen einen Baum stark und fest. Dieser schöne, große Baum war für mich Inbegriff von Reife und Festigkeit, die über Jahre durch Wind und Regen, Stürme, Hitze und Kälte einfach still und unmerklich wuchs. Ein alter, gesunder Baum mit tiefen Wurzeln – das ist auch ein Bild für den durch Krisen, durch Stürme, Hitze, Kälte und Dürrezeiten gereiften Menschen. Der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen.
So lesen wir es im ersten Psalm über den Menschen, der mit Gott und seinem Wort lebt. In der Fürbitte von Paulus für die Christen in Ephesus geht es auch um durch Krisen gereifte Persönlichkeiten:
Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater, der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden, dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet seid. … Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt, dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.
(Eph 3,14-17.20f)
Es gibt Zeiten im Leben, die uns lehren, dass wir nicht so stark, so unerschütterlich, so fest sind, wie wir es gern wären! Es gibt Erlebnisse, die uns zeigen, wie sehr wir Halt brauchen – Halt, den wir in uns nicht haben. Das sind die Momente, wo wir besonders hungrig sind nach einem tröstenden Wort von Gott, nach Gemeinschaft mit anderen Christen, nach Gebet.
„Der Glaube beginnt erst da, wo aller Grund vorhanden schein, ihn aufzugeben.‟
(Werner de Boor)
Die Jahreslosung 2010 ist ein Wort von Jesus für Menschen, die durch Krisen gehen. Es ist ein Wort für Erschütterte. Bruns übersetzt:
Unerschüttert sei euer Herz. Vertraut auf Gott und vertraut auf mich.
Wörtlich steht hier: Euer Herz werde nicht in Unruhe versetzt; euer Herz lasse sich nicht erschüttern, durcheinanderbringen.
Obwohl Jesus selbst seinen gewaltsamen Tod vor Augen hatte, sah Er das Herz seiner Jünger in dieser äußerst angespannten, bedrohlichen Situation. Jesus sah die wachsende Unruhe und Angst seiner Freunde. Jesus sieht! Er sieht auch die Gewitterwolken, die sich über uns zusammen brauen. Jesus sieht, wie es uns geht, wie es dir geht. Von Jesus lernen wir, aus Liebe hinzuschauen, achtsam hinzuschauen, wie es Menschen geht. Wie ein Hirte auf seine Schafe achtet, so achtet Jesus auf uns. Von Jesus lerne ich, Menschen aufmerksam wahrzunehmen. Das erinnert mich an das Erlebnis einer Taxifahrerin:
„Ich bin Taxifahrerin. Eines Abends musste ich zusammen mit einem zweiten Wagen eine Gruppe hörgeschädigter Fahrgäste abholen. Nachdem alle eingestiegen waren, bemerkte ich, dass in dem anderen Taxi die Innenbeleuchtung wieder anging und während der ganzen Fahrt anblieb. Als die Leute ausstiegen, winkten sie meiner Kollegin nach und warfen ihr Kusshände zu. Neugierig geworden, stieg ich aus und fragte sie, was denn unterwegs so Besonderes geschehen sei. Darauf zeigte sie mir einen Zettel, den sie ihren Fahrgästen gegeben hatte. Darauf stand: „Soll ich das Licht brennen lassen? Dann können Sie sich sehen und sich unterhalten!‟
(Reader Digest, 3/2002, SHARON P. LANTZ, USA)
Weil diese Kollegin hingeschaut hat, die unausgesprochenen Bedürfnisse der Fahrgäste wahrgenommen hat, hat sie ihnen eine große Freude gemacht.
Euer Herz werde nicht in Unruhe versetzt.
Vertrauen ist eine willentliche Entscheidung. Und das ist in Krisen entscheidend: Ich will vertrauen. Ich will Halt suchen bei dem, der ein ewiger Fels ist. Darum verlasst euch auf den HERRN immerdar; denn Gott der HERR ist ein Fels ewiglich.
Jes 26,4
Vertrauen ist eine Arznei gegen Resignation und Sorgen. Ich will Gott vertrauen, so wie es der Beter in Psalm 42,6 tut: Warum nur bin ich so traurig? Warum ist mein Herz so schwer?
Auf Gott will ich hoffen, denn ich weiß: ich werde ihm wieder danken. Er ist mein Gott, er wird mir beistehen!
Es gibt tatsächlich so etwas, wie Seelsorge an sich selbst. Das ist gesunder Egoismus.
Euer Herz erschrecke nicht!
Das ist auch ein Befehl, ein Gebot, eine verbindliche Aufforderung, ein wichtiger seelsorgerlicher Rat. Das soll ich mir sagen lassen. Das möchte ich mir sagen lassen. Das muss ich mir immer wieder neu sagen lassen – in jeder neuen Situation: Dein Herz erschrecke nicht, werde nicht erschüttert.
Und dies Wort ist ein Angebot: Ihr dürft jetzt vertrauen. Ihr könnt vertrauen! Denn ihr habt in Gott und in mir Halt und Hilfe. Nebenbei werde ich daran erinnert: Für den Zustand meines Herzens bin ich verantwortlich. Ich bin nicht Spielball meiner Lebensumstände oder Gefühle. Darum der wichtige Rat: Behüte dein Herz mit allem Fleiß, denn daraus quillt das Leben.
(Spr 4,23)
Wie wichtig Vertrauen ist, erlebe ich in meinem Alltag. Wie gut hat es der Mensch, der vertrauen kann!
Ein Baum übersteht Trockenzeiten, wenn er Wasser hat. Der ist wie ein Baum, gepflanzt an Wasserbächen…
(Ps 1)
Die Nähe zum Wasser bedeutet Leben – auch in einer Krise. Ähnlich beschreibt David diese Wahrheit in Ps 23. Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.
(V.4)
Bei Licht betrachtet stelle ich fest: Krisen sind das Salz in der Suppe des christlichen Glaubens. Ohne Krisen gibt es keine Reife, keine Tiefe, keine Wurzeln in der Liebe Christi. Denn Krisen sind immer auch Gelegenheiten für Gott. Krisen sind Einladungen, die Nähe Jesu als größtes Glück zu erleben.
«Glaubet an Gott.» Das tönt merkwürdig ungewöhnlich im Munde Jesu. Glaubet an Gott! wie wenn Gott ihm ein Fremder wäre! wie wenn er nun auch anfangen wollte, vom «Herrgott» zu reden. Er meint damit, glaubet an den Gott der Alten, an den Gott der Väter.
Glaubet an den Gott, der zu Abrahams, Jakobs und des Moses Zeiten Taten der Rettung und der Durchhilfe wirkte. Glaubet an den Gott, der in vergangenen Zeiten einen Weg durchs Schilfmeer bahnte, an den Gott, der die Mauern Jerichos niederlegte, an den Gott, der die Männer aus dem Feuerofen rettete und Daniel unter den Löwen bewahrte.
Glaubet an Gott. Aber Jesus weiß, wie wohlfeil solch ein Glaube an den »Herrgott« werden kann und wie schnellfertig wir Menschen bereit sind zu volltönenden und unverbindlichen Glaubensbekenntnissen, wenn sie sich auf die Vergangenheit beziehen. Wie rasch ist gesagt: »Ich glaube, dass Gott die Mauern Jerichos niedergelegt hat«, aber wie ganz anders ist die Lage, wenn du vor Mauern stehst und glauben sollst, dass Gott sie zu brechen vermag!
(Walter Lüthi, Johannes, das vierte Evangelium, S.202)
Macht es dem Baum nach: Sagt Ja zu dem, was Gott zulässt – zu den Stürmen, den Trockenzeiten, den heißen und kalten Tagen. Dann werden wir erleben:
Was Gott tut, das ist wohlgetan, dabei will ich verbleiben
Es mag mich auf die raue Bahn, Not, Tod und Elend treiben,
so wird Gott mich, ganz väterlich in seinen Armen halten;
drum lass ich ihn nur walten.(Samuel Rodigast)