Als die Titanic am 15. April 1912 im Nordatlantik versank, wurden zum letzten Mal beim Einsteigen in die Rettungsboote Klassenunterschiede gemacht. Die White Star Line hat zwar jede Vorzugsbehandlung immer abgestritten, doch es liegt eine Fülle von Beweisen dafür vor, dass die unteren Klassen sehr viel schlechter weggekommen sind. Die Verlustliste der Titanic enthielt nur 4 von den 143 Damen der ersten Klasse (3 davon blieben aus freiem Entschluss an Bord). Demgegenüber kamen 81 von den 179 Frauen der dritten Klasse um. Rettungsboot Nr.1 ging mit 12 Personen zu Wasser, obwohl es 40 Personen aufnehmen konnte! Nach unserem Empfinden ist das schockierend, unmenschlich und grausam. Wie können Menschen zu anderen Menschen so unbarmherzig sein?!
Wenn wir einmal vor Jesus Christus stehen, wird er uns Barmherzigkeit nachweisen können? Wenn wir vor Christus Rechenschaft geben für unser Denken, Reden und Handeln, werden wir uns dann auch schämen, dass wir andere Menschen nach falschen Maßstäben beurteilt und behandelt haben? Wir singen überzeugt das Lied, Gott, der da reich ist an Barmherzigkeit... Das ist eine der wichtigsten Erfahrungen unseres Lebens: Gott war uns barmherzig! Können unsere Mitmenschen auch sagen, dass wir barmherzig sind?
These: Zeige mir deinen Glauben, indem du mit Menschen barmherzig bist.
Jakobus bemüht sich, den krassen Widerspruch zwischen dem Verhalten der Christen und Gott deutlich zu machen. Hört! Bitte schenkt mir eure Aufmerksamkeit! Ist euch überhaupt bewusst, wie unvereinbar euer Verhalten mit eurem Glauben ist?
Hat nicht Gott die vor der Welt Armen auserwählt?
In den Gemeinden gab es viele arme Menschen. Bis heute hat sich daran in den meisten Ländern der Welt nichts geändert. Abraham Lincoln sagte einmal:
Gott muss den einfachen Menschen sehr lieben, sonst hätte er nicht so viele einfache Menschen geschaffen.
Sehr viele arme Menschen glauben an Jesus Christus. Warum glauben Menschen an Jesus? Die Bibel sagt: Menschen finden zum Glauben an Jesus Christus, weil Gott sie zum Glauben erwählt hat. Jesus Christus sagte seinen Jüngern:
Ihr habt nicht mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt.
Joh 15,16
Paulus hat erkannt, dass er durch Gottes Barmherzigkeit gerettet war: Tit 3,4+5a. Kein Mensch, den Gott zum Glauben an Jesus Christus berufen hat, soll meinen, Gott habe ihn um seiner Vorzüge willen erwählt. Vgl. 5. Mo 7,6f
»Gott ist barmherzig mit Menschen«
Gott hat viele arme Menschen erwählt und reich gemacht. Die Gute Nachricht von Jesus Christus gilt auch den Armen: Lk 4,18; Matth 11,5. Armut ist für Gott kein Hindernis, um Menschen seinen ganzen Reichtum an Liebe und Barmherzigkeit zu erweisen. Gott erwählt aus Gnade und Liebe. Gott trifft Entscheidungen nach anderen Maßstäben als wir. Von Gott erwählt zu sein heißt, zum Reichtum erwählt zu sein. Zu jedem, der an Jesus Christus glaubt, sagt Gott: 'Du bist reich. Dieser Reichtum ist dir unverdient zuteil geworden. Du bist reich, weil ich mich über dich erbarmt habe.' Ist uns wirklich klar, dass Menschen reich sein können, auch wenn sie kein Geld haben? Materielle Armut ist vor Gott keine Benachteiligung - aber auch kein Verdienst. Arme Sünder sind keine besseren Sünder.
»Gott ist barmherzig mit Menschen«
Ist es nicht wundervoll: der große, allmächtige und heilige Gott hat ein Interesse an allen Menschen! Ist es nicht wundervoll: der Schöpfer des Himmels und der Erde tut dir viel Gutes!
Barmherzig und gnädig ist der Herr, langsam zum Zorn und groß an Güte.
Ps 103,8
Wenn Gottes Barmherzigkeit mit uns und vielen anderen uns nicht zu großer Dankbarkeit und zur Barmherzigkeit mit anderen führt - haben wir dann wirklich Gottes Barmherzigkeit erfahren?
Ihr aber... Auch Menschen, die Gottes Barmherzigkeit erfahren haben, stehen in der Gefahr, unbarmherzig mit anderen zu sein. Wir begegnen Menschen als ob sie erst unsere Barmherzigkeit verdienen müssten. Verachtung oder Geringschätzung stellen nach der Bibel eine Person außerhalb der Gemeinschaft. So werden Menschen ausgegrenzt und abgeschoben. Wir machen uns schuldig an Menschen und vor Gott wegen unwichtigen Äußerlichkeiten. Solange wir an unseren eigenen Maßstäben und den Wertmaßstäben der Welt festhalten, wird unser Leben nie anziehend und glaubwürdig.
Unterdrücken euch nicht die Reichen... Falsche Wertmaßstäbe machen uns nicht nur unbarmherzig, sondern auch blind. Bewunderung kann blind machen. Oft bewundern wir nur ein selbst gemachtes Bild. Dabei übersehen wir Schuld und geistliche Armut. Oft sehen wir nur das, was wir sehen wollen: Schwarzafrikaner sind schwarz; Heidi Klum ist hübsch; Arnold Schwarzenegger ist stark; Lukas Podolski.... In Gottes Augen gibt es keine Stars. Nächstenliebe setzt voraus, dass du den Mut hast, alle Menschen in ihrer Bedürftigkeit zu sehen! Darum müssen wir den Herrn immer wieder bitten. Jedes unbarmherzige Verhalten wird überwunden, wenn wir Menschen mit Gottes Augen sehen.
Vor 40 Jahren erschien im Readers Digest ein Artikel mit der Überschrift;
„Was ich von den Männern gelernt habe.‟
'Es war ein Mann, der mir dazu verholfen hat, mich mit meinem Gesicht und meiner Figur abzufinden. Ich werde - wie meine Großmutter von hässlichen Frauen zu sagen pflegte - nie wegen meiner Schönheit gehängt werden. Als ich ein junges Mädchen war, machte mir das viel Kummer. Aber später lernte ich einen Mann kennen, der nach der landläufigen Meinung hässlich aussah. Er hatte abstehende Ohren, eine lange Nase, trug eine Brille, hatte einen sehr ausgeprägten Adamsapfel und zu allem anderen auch noch Sommersprossen. Dennoch wirkte er höchst anziehend. Als ich einmal mit ihm tanzte, fragte ich ihn kühn, woher das komme.
„Vor langer Zeit,‟ sagte er, „habe ich mich einmal im Spiegel betrachtet und mir gesagt: 'Wenn es nur aufs Gesicht ankommt, kannst du dich gleich erschießen.' Aber erschießen wollte ich mich nicht, und ich entschloss mich daher, aus meinem Gesicht das Herz sprechen zu lassen.
Ich liebe die Menschen und lasse sie das merken.‟
Es war sein voller Ernst. Dieser Mann hörte einer Frau so aufmerksam zu, als hätte er noch nie eine Frau einen Ton sagen hören. Er interessiert sich für die Menschen...'
∎ 3.1 | Menschen brauchen Liebe.
V.8f
Wir sind von Gott zur Nächstenliebe bestimmt. Darin finden wir Leben und Erfüllung. Liebevolle Beziehungen zu allen Menschen - darum geht es Gott und darin bezeugen wir unseren Glauben. 1. Tim 1,5 Das königliche Gesetz fordert nur eins: den Schutz und das Wohl des Nächsten durch tatkräftige, opferbereite Liebe. Liebe deinen Nächsten und lass es ihn merken! Akzeptiere ihn als wertvollen Mitmenschen, auch wenn er auffallend anders ist. Höre ihm aufmerksam zu! Nimm ihn ernst! Interessiere dich für ihn! Nimm dir Zeit für ihn! Wenn ihr das tut, so tut ihr recht! Klar und unmissverständlich sagt uns Gottes Wort, was gut und richtig ist. Das königliche Gesetz ist kein Verbot und keine Bürde. Gebet:
'Herr, öffne mir Ohren, Herz und Augen, dass ich erkenne, wem ich heute Liebe erweisen soll.'
∎ 3.2 | Menschen brauchen Gebote.
V.10f
Ohne Gottes Gebote wüssten wir nicht, wie Liebe konkret aussehen soll. Warum führt Jakobus an dieser Stelle diese zwei wichtigen Gebote an? Sie sollen deutlich machen, dass jede Form von Geringschätzung und Verachtung mehr ist als ein Kavaliersdelikt. Gott hat andere Maßstäbe. In der Bergpredigt beginnt Jesus seinen Kommentar zum AT mit dem 5. Gebot, an dem wir am wenigsten schuldig zu werden glauben. Matth 5,21ff Auch Jesus lehrt, dass mehr Menschen gegen dieses Gebot verstoßen als allgemein angenommen. Man kann Menschen auch mit Blicken und Worten niederschlagen und tödlich verletzen. Neigen wir nicht alle dazu, die Schwere und Tragweite unserer Schuld zu unterschätzen?! Gebet:
'Herr, zeige mir, wo ich durch mein Reden und Handeln an Menschen schuldig werde.'
∎ 3.3 | Menschen brauchen Barmherzigkeit.
V.12f
Redet so und handelt so... Die Maßstäbe, mit denen Gott uns richten wird, sollen schon heute unser Reden und Handeln bestimmen. Christen werden gerichtet werden. Darum redet und handelt jeden Tag in dem Bewusstsein, dass ihr euch verantworten müsst vor Jesus Christus. Das Gesetz der Freiheit ist die empfangene Gnade und Barmherzigkeit. Durch Jesus Christus sind wir frei von der Macht der Sünde für Gott und seinen Willen. Wahre Freiheit ist immer Freiheit von den Menschen und für die Menschen. Barmherzigkeit ist die Herzenshaltung, die nicht danach fragt, was ein Mensch verdient hat, sondern was er braucht. Barmherzig ist der, der ein Herz für die Unglücklichen und Bedürftigen hat. Barmherzigkeit ist die Gesinnung, die das Elend nicht sehen kann, ohne sich zum Helfen angetrieben zu fühlen. Lk 10,30ff
Für Menschen, die Barmherzigkeit von Gott empfangen haben, sollte es selbstverständlich sein, mit anderen Menschen barmherzig zu sein. Das wichtigste und wertvollste ist uns durch Gottes Barmherzigkeit zuteil geworden. Wir leben, glauben, hoffen und singen, weil Gott mit uns barmherzig ist. Wer Barmherzigkeit empfangen hat, kann nicht so bleiben wie er ist. Denn wenn wir alles, was uns lieb und teuer ist, der Barmherzigkeit Gottes verdanken - wie können wir dann unbarmherzig reden und handeln?! Matth 5,7