Konflikte entspannen
Nehemia 5  |  29.04.2007  |  V. Janke

Der Komiker Emo Philips erzählte folgende Begebenheit: Ich war im Gespräch mit jemandem, den ich kürzlich traf. Ich fragte ihn: „Sind sie Protestant oder Katholik?“ Mein neuer Bekannter antwortete „Protestant.“ Ich sagte, „Ich auch! Und welche Konfession?“ Er antwortete, „Baptist.“ „Ich auch!“ sagte ich. „Nördlicher Baptist oder Südlicher Baptist?“ „Nördlicher Baptist,“ erwiderte er. „Ich auch!“ rief ich. So ging es eine Weile weiter, hin und her. Schließlich fragte ich ihn, „Gehören sie zu den nördlichen konservativen bibeltreuen Baptisten, große Seen Region, Bekenntnis von 1879 oder zu den nördlichen konservativen bibeltreuen Baptisten, große Seen Region, Bekenntnis von 1912?“ Er sagte darauf: „Ich gehöre zu den nördlichen konservativen bibeltreuen Baptisten, große Seen Region, Bekenntnis von 1912.“ Da sagte ich entrüstet: „Stirb, du Abtrünniger!“


Damit hatte niemand gerechnet. Auf einmal ist der Streit da: Neh 5,1 Plötzlich treten alle Gemeinsamkeiten in den Hintergrund. Das Trennende beherrscht das Denken. Wenn nicht räumlich, so geht man zumindest innerlich auf Distanz. Es gibt sie – die Mauern und Zäune in unseren Köpfen. Es gibt sie – die unechte, zur Schau getragene Freundlichkeit zwischen Eheleuten, Nachbarn, Kollegen... und Christen. Es gibt Scheinfrieden! Dabei stehen Einheit und Einmütigkeit im Glauben und in den praktischen Fragen des Gemeindealltags ganz oben auf unserer Werteskala. Wo unsere Gesellschaft im Übermaß von Konflikten geprägt ist, sehnen sich Christen nach einem harmonischen Schutz- und Schonraum. Da gerät das Thema „Umgang mit Konflikten“ unter uns leicht zum Unthema. E. Brandt sagt, dass Konflikte der Testfall für die Gemeinschaft am Evangelium sind. Wir tun uns schwer, mit Konflikten richtig umzugehen. Paulus schreibt Wenn möglich, soviel an euch ist, lebt mit allen Menschen in Frieden! Röm 12,18 Was heißt das denn? 1): versuche, unnötigen Streit zu vermeiden. 2): glaube nicht, dass du jeden Streit vermeiden kannst. 3): wo es zum Streit gekommen ist, arbeite aktiv für den Frieden. Tu etwas, damit du mit deinem Mitmenschen wieder in echtem Frieden leben kannst. Der Streit in Neh 5 zeigt uns, dass wir etwas tun können, um versöhnt miteinander zu leben und zu arbeiten. Gott will uns helfen, dass es uns gelingt, konfliktfähig zu werden!


  1. Protestieren ist erlaubt!
    5,1+6

Während eines Hunde-Ausbildungsseminars in Salt Lake City erwähnte der Lehrer, dass Hundebesitzer die Gesinnung des Hundes durch einen Test herausfinden können. Fällt der Besitzer hin und gibt vor, verletzt zu sein, wird ein Hund mit einem schlechten Charakter dazu neigen, sein Herrchen zu beißen. Ein guter Hund dagegen wird sich besorgt zeigen und vielleicht sogar das Gesicht des Herrchens ablecken. Susan Matice nahm an diesem Kurs teil und wollte ihre Hunde testen. Während sie in ihrem Wohnzimmer Pizza aß, stand sie plötzlich auf, griff sich ans Herz und fiel mit einem Schrei auf den Boden. Ihre beiden Hunde sahen erst ihr Frauchen an, dann sahen sie einander an, und dann jagten sie zum Tisch und schnappten sich die Pizza. Manchmal handeln auch Menschen aus Gier. Die Ursache des Konfliktes in Neh 5 war Profitgier und fehlende Bereitschaft, Opfer zu bringen. War der Protest der Leute gerechtfertigt? Protestieren heißt Einspruch oder Widerspruch erheben. Wir zählen uns heute zur protestantischen Kirche. Wie gut, dass Christen wie M. Luther im 16. Jh. protestiert haben!


Und es entstand ein großes Geschrei der Leute aus dem Volk und ihrer Frauen gegen ihre jüdischen Brüder. Dieser Konflikt war lange verdrängt worden. Die Leute litten still unter dieser Ungerechtigkeit. Wir sehen: Nicht nur die Mauer war in einem schlechten Zustand. Auch das soziale Miteinander musste repariert werden. Einige wenige mussten echte Opfer bringen. Sie trugen die Last. Dann konnten sie es nicht länger ertragen: Warum bleiben die Kosten für den Wiederaufbau allein an uns hängen? Warum müssen wir einen so hohen Preis zahlen? Ungleich verteilte Lasten belasten das Miteinander! Das ist auch heute noch so. Je nach Veranlagung sind Menschen bereit, mehr zu tragen und mehr zu zahlen, damit das Miteinander gelingt. Doch wo der Haushalt, die Sorge um die Kinder, die Pflege von Verwandten nur zu Lasten einzelner geht, bricht irgendwann der Konflikt aus. Sie sprachen es aus, wie sie über die Situation fühlten und dachten. Wie Yorky geben sie ihren Gefühlen und Gedanken eine Stimme. Ist das unchristlich? Geht es dir wie Wurzel, der denkt: Ich wünschte, das würde er nicht tun!


nach oben

Ja, wir vermeiden gerne Konflikte. Doch ein Blick in die Bibel lehrt uns, dass Konflikte zum menschlichen Leben dazugehören. Überall, wo Menschen miteinander leben, arbeiten und glauben, kommt es unwillkürlich auch zu Konflikten. Ohne Konflikte wäre die Bibel ein sehr dünnes Buch. Von den ersten Christen heißt es nicht nur sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel. Apg 2,46 Von ihnen wird auch gesagt, es entstand ein Murren der Hellenisten gegen die Hebräer... 6,1 und Paulus und Barnabas widersprachen dieser Meinung sehr heftig.(...) Nach heftigen Auseinandersetzungen stand schließlich Petrus auf und sagte (...) Sie stritten so heftig miteinander, dass sie sich schließlich trennten. 15,2+7+39 Eine gesunde Gemeinde (Ehe, Familie, Freundschaft) ist nicht eine Gemeinde, die keine Konflikte hat, sondern eine, die über ihre Konflikte offen sprechen kann und sie geschwisterlich bearbeitet. Protestieren ist erlaubt!


Wir müssen es lernen, miteinander zu sprechen, wenn das Miteinander bedroht ist! Wir müssen es wagen, miteinander zu sprechen, wenn das Miteinander zu zerbrechen droht, wenn Wesentliches bedroht ist. Nicht jede Sache ist wert, darüber zu streiten. Aber es gibt Werte, Überzeugungen, Beziehungen, die es wert sind, dass protestiert wird. Vgl. Neh 4,8 Eph 4,1 Das Zeugnis unserer Einmütigkeit ist wert, dass wir darum ringen. Darum müssen wir einige heilige Kühe schlachten. Gemeinde ist kein Reservat garantierter Harmonie! Protestieren ist keine Sünde! Es gibt keine sündigen Gefühle! Du darfst protestieren!


  1. Zuhören ist erwünscht!
    5,2-5

Da gab es solche, die sagten:... Nehemia hörte zu! Er wollte die verschiedenen Situationen kennen. Er wollte die Leute verstehen – auch die anderen: In V.8 heißt es da schwiegen sie. Sie bekamen eine Gelegenheit von Nehemia, ihre Sicht darzustellen. In Spr 18,17 steht Ein jede hat zuerst in seiner Sache recht; kommt aber der andere zu Wort, so findet’s sich. Und Spr 18,13 Wer antwortet, ehe er hört, dem ist es Torheit und Schande. Zuhören ist ein Schlüssel für Verständigung, Einigung und Versöhnung. Zuhören ist oft der erste Schritt auf dem Weg zu Versöhnung. Manchmal kommen heftige Gefühle zum Ausdruck, wie bei einem Schnellkochtopf, der das Genießbare erst frei gibt, wenn der Druck herausgelassen wurde. Liebe ist... dem anderen zuzuhören und ausreden zu lassen. Will ich den anderen wirklich verstehen, muss ich ihm oder ihr zuhören. Manchmal hilft es auch, mit eigenen Worten das Gehörte wiederzugeben: habe ich dich richtig verstanden; du meinst ... Doch diese Bereitschaft und Offenheit kann ich nicht einfordern. Ich muss sie einseitig wagen. Kannst du zuhören? Bist du bereit, zuzuhören, wenn du dich gestritten hast? Zuhören signalisiert „ich will dich, deine Gefühle und Gedanken ernst nehmen; ich will einen gemeinsamen Weg finden; ich habe Hoffnung, dass es einen gemeinsamen Weg gibt; ich glaube, dass Veränderung möglich ist; ich will das Gemeinsame sehen!“ Zuhören ist gelebter Glaube und Dienst der Barmherzigkeit.


  1. Versöhnung ist möglich!
    5,7-11

Das Wort Versöhnung kommt vom Mittelhochdeutschen süene und bedeutet „Schlichtung, Friede, Kuss.“ Versöhnen heißt „still machen, beschwichtigen.“ Versöhnung heißt, das küssen, was mir nicht gefällt – die Fehler und Schwächen. Im AT bedeutet Versöhnung „zudecken, bedecken,“ im NT „völlig verändern.“ Jesu stellvertretendes Sterben und Auferstehen hat unsere Beziehung zu Gott völlig verändert. Versöhnung ist möglich, wenn Fehlverhalten angesprochen wird und das Gespräch gesucht wird. Versöhnung braucht Zeit. Sie gelingt manchmal erst nach mehreren Gesprächen. Versöhnung braucht den Willen zur Geduld. Und sie braucht Menschen mit Hoffnung. Nach der Vergebung von Schuld ist es wichtig, neu aufeinander zuzugehen, es neu miteinander zu wagen! Sollten wir nicht als Christen anders mit Konflikten umgehen als Menschen, die Gott nicht kennen?! Haben wir nicht den größten Konflikt durch Gottes Gnade überwunden – Gott hat uns mit sich selbst versöhnt?! Haben wir nicht einen Herrn, der uns hilft, uns selbst zu verleugnen, zu vergeben und zu lieben?! Versöhnung ist möglich, wenn wir unsere Verantwortung vor Gott sehen, sie ernst nehmen (9+10) und nach dem fragen, was wir dem anderen schuldig sind. Paulus sagt Bleibt keinem etwas schuldig, abgesehen davon, dass ihr euch untereinander lieben sollt. Röm 13,8


Amen



Baptisten Nordenham | Zoar-Kapelle | 26954 Nordenham | Friedrich-Ebert-Str. 65   
Gottesdienst: So 10:00

Valid HTML 4.01!